Zu Keynes passt das nicht. – Autor Björn Frank im Interview

In meinem Bachelorstudium im Fach Wirtschaftswissenschaften habe ich den Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre gewählt. Mir hat das Studium damals viel Spaß gemacht und die Inhalte waren wirklich interessant, umso mehr habe ich mich gefreut, als „Zu Keynes passt das nicht“ vom Volkswirtschaftslehre-Professor Björn Frank erschienen ist. Ich habe mich regelrecht auf die Kurzbiografien berühmter Ökonominnen und Ökonomen gestürzt und konnte in alten Studienerinnerungen schwelgen. Noch schöner ist es daher für mich, dass ich Björn Frank zu sich und seinem neuen Buch, das im Berenberg Verlag erschienen ist, interviewen konnte.
Wie sind Sie überhaupt zur Volkswirtschaftslehre gekommen?
Als Schüler wollte ich die Welt vor Unterentwicklung und Arbeitslosigkeit retten. Als Schüler wusste ich auch genau, wie das geht. Aber wenn man dann anfängt zu studieren, dann merkt man, dass das alles viel komplizierter ist, als man sich das gedacht hat. Und dann löst man kleinere Probleme.
Wie sind Sie dann Professor für Volkswirtschaftslehre geworden?
Die meisten Leute rutschen in diesen Beruf einfach so hinein und das gilt für mich auch. Ich glaube, es gibt ganz wenige Leute, die so sind wie Sheldon Cooper und die mit 12 sagen: „Ich will Professor werden und weiß auch schon das meiste dafür.“ Nur die wenigsten Studenten im sechsten Semester wissen, dass sie Professor werden möchten. Diese Entwicklung passiert einfach so: Erst ist man wissenschaftliche Hilfskraft oder schreibt seine Abschlussarbeit an einem Lehrstuhl. Dann promoviert man, weil der Professor des Lehrstuhls es einem vielleicht angeboten hat. Erst mit der Promotion bekommt man die Erfahrung und eine Ahnung davon, was Forschung bedeutet. Nach der Promotion braucht es dann noch eine gewisse Risikobereitschaft, um sich auf eine Postdoc-Stelle zu bewerben: Für die Karriere ist es gut, bis zur Promotion an der der Universität zu sein, aber nach einer sechsjährigen Postdoc-Phase ist man für die Wirtschaft weniger attraktiv und nicht jeder bekommt auch eine Professur. Es hat schon bei mir damals zwei bis drei Jahre gedauert bis ich meine Professur bekommen habe, aber die Bedingungen waren damals noch viel besser als heute.
Was fasziniert Sie an der Volkswirtschaftslehre besonders?
Das hat sich etwas gewandelt: Als Student hat mir die Volkswirtschaftslehre Spaß gemacht, weil sie eine entfernte Ähnlichkeit mit Schach hat – man muss immer ein paar Züge vorausdenken. Mit der Zeit hat mich dann mehr noch die interessante Mischung zwischen dem wahren Leben und der exakten Wissenschaft interessiert. Ich finde es sehr schön, dass man einen wissenschaftlichen Streit in der Volkswirtschaftslehre häufig auch durch Verweis auf Tatsachen entscheiden kann.
Ich würde gern noch näher auf Ihr Buch eingehen: Warum haben Sie „Zu Keynes passt das nicht“ geschrieben?
Ich muss gestehen, diese Frage ist für mich schlimm, weil die Begründung im Vorwort, warum ich dieses Buch geschrieben habe, ausgedacht ist. Sonst beruht alles in diesem Buch auf der Realität, aber die Anekdote im Vorwort war nicht der tatsächliche Auslöser für mich. Ich weiß nicht mehr so genau, warum ich begonnen habe, dieses Buch zu schreiben. Ich weiß nur, dass ich es schon immer schön gefunden habe, wenn man als Wissenschaftler auch ein breiteres Publikum erreicht und das in der Forschung entstandene Wissen für Laien verständlich macht.
Wie anstrengend war es für Sie, dieses Buch zu schreiben?
Das Schreiben von „Zu Keynes passt das nicht“ war schon anstrengend. Ich musste mich in das Leben und Werk von einigen Ökonominnen und Ökonomen, über die ich schreibe, unheimlich hineinarbeiten. Denn ich habe nicht nur die Ökonominnen und Ökonomen für das Buch ausgewählt, bei denen ich mich fachlich schon gut auskannte. Meine Prämisse war, dass die Biografie so geschrieben werden kann, als liefe es auf ein interessantes Ende hinaus. Dafür musste ich mich mit einigen Ökonominnen und Ökonomen erstmals in meinem Leben richtig beschäftigen.
Welche zum Beispiel?
Ein gutes Beispiel ist Schumpeter. Fast jeder kennt Schumpeter und verbindet mit ihm ein bis zwei Schlagworte. Aber was hat er eigentlich herausgefunden? Das ist schwierig. Manche Ökonominnen und Ökonomen sind für ein Theorem bekannt – für eine Sache oder einen Zusammenhang, den sie entdeckt haben. Es gibt aber kein Schumpeter-Theorem oder so etwas. Schumpeter ist mehr eine Haltung zu den Dingen. Das war ich schwer zu greifen, da musste ich schon eine Menge Schumpeter lesen und auf mich wirken lassen.
Im Buch kommen auch zwei Ökonomen vor, deren Namen ich noch nicht einmal kannte, bevor ich das Buch geschrieben habe: Tschajanow und Cantillon. Diese Wissenschaftler sind auf ihrem Gebiet bekannt, aber das ist eben nicht mein Gebiet.

War beim Schreiben noch etwas für Sie anstrengend?
Neben dem Fachlichen war das Schreiben für mich auch anstrengend. Als Wissenschaftler nutze ich gern das ganze standardisierte Formulierungsinstrumentarium der Ökonomen, aber das lässt sich in einem Text für ein breites Publikum nicht verwenden. Ich kann nicht sagen: „Stellen wir uns eine Zwei-Personen-Volkswirtschaft mit homogenen Gütern vor.“ Das ist unverständlich. Sehr stolz bin ich beispielsweise darauf, dass ich nicht einmal den Begriff „Grenzkosten“ benutzt habe, was in der Volkswirtschaftslehre ein sehr grundlegender Begriff ist. Für die Sprache musste ich sehr ringen und darum hat das Schreiben auch ewig gedauert. Ich habe vier bis fünf Jahre an „Zu Keynes passt das nicht“ geschrieben, weil ich nur ein bis zwei Kapitel pro Semester geschafft habe. Am Ende ist es ein Buch mit 150 Seiten geworden. Effizient war das nicht, aber dennoch hat mir das Schreiben überwiegend Spaß gemacht.
Wie sah der Schreibprozess für Sie aus, wenn Sie sagen, dass Sie höchstens zwei Kapitel pro Semester geschrieben haben?
Zu Beginn habe ich viel über alle möglichen Ökonominnen und Ökonomen gelesen und viel über deren Leben nachgeforscht. Für mich war es wichtig, dass etwas Erzählenswertes in deren Leben passiert ist und beim Schreiben habe ich manchmal auch Dinge herausgefunden, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Zum Beispiel gab es bei Vickrey zwei mögliche Pointen. Ich habe begonnen, mich ihm zu beschäftigen, weil er die Nachricht bekommen hatte, dass er den Nobelpreis gewinnt und drei Tage nach dieser Nachricht und noch bevor er den Nobelpreis entgegennehmen konnte, starb er. War das nun Glück, dass er vor seinem Tod noch diese schöne Nachricht bekommen hat oder war es Pech, dass er nicht mehr nach Stockholm konnte? Dann habe ich aber ein noch viel besseres Ende entdeckt.
Genauso wenig darf man versuchen, in ein Buch alles hineinzustopfen, was man weiß. Beispielsweise ist Coase ein toller und kreativer Ökonom. Nach Coase sind drei Dinge benannt: Es gibt das Coase-Theorem, dann gibt es noch die Coase-Tarife und die Coase-Vermutung (Coase Conjecture). In meinen Lehrveranstaltungen erzähle ich unglaublich gern etwas über Coase-Tarife und die Coase-Conjecture, nur das wäre hier nicht gegangen. Für eine lesbare Geschichte über Coase habe ich dies gern geopfert.
Welche drei Biografien fanden Sie am interessantesten?
Vickrey finde ich wichtig, weil er ökonomisch sehr interessante Sachen gemacht hat. Zum Beispiel hat er methodisch etwas gemacht, was sich eher der neoklassischen Mainstream-Ökonomie zuordnen lässt, dabei war Vickrey politisch gesehen links. Das ist eine ungewöhnliche Mischung und für mich daher sehr interessant.
Aufgrund seiner tragischen Geschichte ist auch Tschajanow sehr interessant. Er ist ein sympathischer Mensch gewesen und durch seine Biografie lernt man auch etwas über den Stalinismus. Natürlich weiß jeder so ein bisschen was über den Stalinismus, aber ich kenne nicht viele Einzelschicksale von Leuten, die unter Stalin so untergegangen sind, wie Tschajanow untergegangen ist. Sein Leben war ein elender Prozess von Inhaftierung, Freilassung, wieder Inhaftierung und irgendwann wurde er dann exekutiert für diesen absurden Vorwurf, Vorsitzender einer Partei zu sein, die er sich einmal für einen utopischen Roman ausgedacht hat. Das ist schon berührend.
Und der dritte Ökonom ist für mich Bentham. Die Geschichte über das skurrile Leben von Benthams mumifizierter Leiche ist auch bei Nicht-Ökonomen relativ bekannt, weil sie so interessant ist.
Mir ist aufgefallen, dass Sie nur über zwei Wissenschaftlerinnen schreiben: Über Elizabeth Boody Schumpeter und über Rosa Luxemburg. Sterben Ökonominnen langweiliger oder warum ist das so?
Das weiß ich leider auch nicht so genau. Ehrlich gesagt habe ich schon extra nach Ökonominnen für mein Buch gesucht. Nach meiner Recherche war ich schon froh, dass ich wenigstens zwei Ökonominnen unterbringen konnte. Es wäre sehr schade gewesen, wenn es wirklich nur Männer gewesen wären. Ich glaube nicht, dass Frauen langweiliger sterben, sondern die Grundgesamtheit war einfach ein bisschen klein. Das Buch handelt nur von Ökonominnen und Ökonomen, die schon tot sind. Das heißt, die zu einer Zeit gewirkt haben, wo es generell wenig Frauen in der Wissenschaft, speziell in der Wirtschaftswissenschaft gab. Heute gibt es tolle Ökonominnen und auch in einem viel höheren Anteil Ökonominnen. Ich bin mir sicher, wenn jemand in 100 Jahren noch einmal nach diesen Prämissen ein Buch schreibt, wird er über weitaus mehr Ökonominnen schreiben können.
Hat sich nach dem Schreiben des Buchs etwas für Sie verändert?
Ich finde es ganz toll, dass ich etwas beim Schreiben dazugelernt habe. In meinem Alter, also ich bin 54, ist das gar nicht so selbstverständlich, dass man sich noch Zeit nimmt, etwas Neues zu lernen. Die meisten Leute sind auch durch Effizienzdruck oder Zeitmangel darauf angewiesen, sehr stark auf dem aufzubauen, was sie schon wissen, beziehungsweise was sie schon gemacht haben. Von dem Wissen, dass bei der Recherche zu „Zu Keynes passt das nicht“ bei mir entstanden ist, sind auch Sachen in meine Lehrveranstaltungen eingeflossen und das ist ganz schön.
Übrigens ist es auch schön, dass ich etwas selbst Geschriebenes an Nicht-Ökonomen verschenken kann. Normalerweise kann ich Bücher oder Artikel, die bei meiner Forschung entstehen, nicht verschenken. Darin sind lauter Formeln oder Zahlen enthalten, höchstwahrscheinlich ist es auch noch auf Englisch verfasst und für 50 bis 100 Fachkollegen aus genau meiner Spezialisierung geschrieben.
Eine letzte Frage und dabei greife ich gern das Verschenken von Büchern auf. Wenn Sie Bücher verschenken, welche verschenken Sie dann?
Es ist häufig so, dass ich Bücher ganz gezielt für den oder die Beschenkte aussuche und ich auch möchte, dass die Person den Eindruck hat, dass sich jemand etwas für oder über sie überlegt hat. Aber ein nettes Geschenk unter Professoren ist beispielsweise „Pnin“ von Nabokov, weil es da um einen verschusselten und tollpatschigen Professor geht. Dieses Buch gehört zu den leichteren Werken von Nabokov. „Pnin“ kann man gut verschenken und das nicht nur als Ökonom. Er ist Literaturwissenschaftler und unterrichtet Russisch an einer amerikanischen Universität, was ihn ziemlich zur Verzweiflung bringt. Ein schönes Buch.
Danke für das spannende Interview!