Warum der Literaturnobelpreis abgeschafft gehört

Noch vor einer Weile habe ich immer sehnsüchtig auf die Verkündung der neuen Literaturnobelpreisträgerin oder des neuen Literaturnobelpreisträgers gewartet. Ich war ungelogen schon ein paar Wochen vorher etwas aufgeregt, habe überlegt, wen ich diesen Preis verleihen würde und habe mir sämtliche Artikel mit sogenannten heißen Tipps durchgelesen. Für mich hatte der Literaturnobelpreis etwas Strahlendes. Es war ein Symbol für die Wichtigkeit der Literatur und deren Bedeutung für die Menschheit. Nun, anscheinend war ich naiv. Sehr naiv.
Der Skandal um den Literaturnobelpreis
Wenn ich jetzt an den Literaturnobelpreis denke, dann denke ich an Vergewaltigung, Intrigen und Misswirtschaft. Ich denke an verstaubte Abläufe und Traditionen, an denen nur festgehalten wird, weil es Menschen gibt, die auf ihren Privilegien beharren. Der Skandal um den Literaturnobelpreis begann, als 18 Frauen im November 2017 Jean-Claude Arnault vorgeworfen haben, er wäre sexuell übergriffig gewesen. Dabei ist Jean-Claude Arnault nicht einmal Mitglied des Literaturnobelpreiskomitees, sondern dessen Frau Katarina Frostenson. Das Literaturnobelpreiskomitee besteht aus 18 Personen, wovon diese immer auf Lebenszeit berufen werden.
Nichtsdestotrotz hat Jean-Claude Arnault sogar damit geprotzt, er wäre das 19. Mitglied des Komitees. Jean-Claude Arnault wurde verklagt wegen sexueller Nötigung, nicht zuletzt auch wegen Übergriffen, die auf dem Eigentum der Schwedischen Akademie stattgefunden haben sollen. Außerdem hat Jean-Claude Arnault in der Vergangenheit auch Namen von zukünftigen Preisträgerinnen und Preisträgern verraten. Gerade angesichts der hohen Wettsummen, die auf Favoriten des Literaturnobelpreises gesetzt werden, bekommt dies einen besonders üblen Beigeschmack. Als Jean-Claude Arnault im Herbst 2018 für seine Vergehen zu 2 Jahren Haft verurteilt wurde, hatten bereits sieben Mitglieder des Literaturnobelpreiskomitees ihr Amt freiwillig, aus Protest niedergelegt und es wurde beschlossen, dass der Preis 2018 nicht verliehen wird.
Echt jetzt?
Dafür sollen in diesem Jahr, also 2019, zwei Literaturnobelpreise verliehen werden sollen. Außerdem werden Maßnahmen ergriffen, um die Vergabe des Literaturnobelpreises zu erneuern und von Mief und Intrige zu befreien. So wurden fünf externe Mitglieder des Komitees gewählt, die bei der Auswahl von möglichen Preisträgerinnen und -trägern beraten sollen. Genauso kam es zu Änderungen, was den Austritt von Komiteemitgliedern betrifft. Nichtsdestotrotz kommt der Skandal nicht zur Ruhe und in das Komitee wird sehr munter ein- und ausgetreten. Auch ist es jetzt möglich, Komiteemitglieder abzusetzen, die in Straftaten verwickelt sind oder bei denen ein Interessenkonflikt besteht. Ich denke, zu dieser Entscheidung darf man ruhig gratulieren – auch weil sie eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Können wir den Literaturnobelpreis jetzt bitte abschaffen?
Mir persönlich wird das Hin und Her um den Literaturnobelpreis mittlerweile zu viel. Die Einzelheiten interessieren mich nicht mehr und ehrlich gesagt hat mir im Herbst 2018 auch nichts gefehlt, als der Literaturnobelpreis nicht verliehen wurde. Wenn man ehrlich ist und sich die Verteilung der Literaturnobelpreise ansieht, dann kommt man auch ziemlich schnell zu dem Eindruck, dass die Mehrheit der Preisträgerinnen und Preisträger aus dem nord- und mitteleuropäischen Sprachraum stammen. Erst in den letzten Jahren haben die nicht-europäischen Preisträgerinnen und Preisträger zugenommen. Nicht besser wird es, wenn man sich die Quote an Literaturnobelpreisträgerinnen ansieht, denn diese beträgt lediglich 12,4%. Sollen Frauen so viel weniger Talent zum Schreiben haben als Männer? Ich kann es kaum glauben.
Ich habe so langsam meine Zweifel, ob es wirklich gerecht sein kann, wenn ein Komitee aus 18 oder weniger Personen, die allesamt Schweden sind, einmal im Jahr eine Schriftstellerin oder einen Schriftsteller auswählen und ihnen mit derart enormer Bedeutung versehen. Schließlich bekommen den Literaturnobelpreis nur die Besten, nicht?
Außer Acht gelassen darf natürlich auch nicht das Lesepensum für die Preisvergabe. Der Literaturnobelpreis wird immer nur für das Gesamtwerk vergeben und nicht für Einzeltitel. Für den Anfang reicht es aber vielleicht, wenn die Mitglieder des Komitees mit einem Buch einer Autorin oder eines Autoren beginnen und das Gesamtwerk erst später betrachtet wird. Wenn jedoch Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf der ganzen Welt Berücksichtigung finden sollen, dann wird auch das nicht so einfach. Schon allein wegen der Übersetzung nicht, denn die Akademiemitglieder können schließlich nicht jede Sprache der Welt. Auch geht es beim Literaturnobelpreis nicht nur um Romane, sondern auch um Lyrik. Wie soll also die Qualität eines vietnamesischen Gedichts mit der eines Romans, deren Autorin aus Namibia stammt, verglichen werden können? Ich weiß es nicht und es wundert mich auch, dass es Menschen gibt, die meinen es zu wissen. Also können wir jetzt bitte den Literaturnobelpreis abschaffen?
Wenn man, um ein wenig abzuschweifen, übrigens Autoren darauf anspricht, warum es so viel mehr preisgekrönte Autoren als Autorinnen gibt, so ist die überwiegende Meinung übrigens: „Tja, die Männer sind halt besser.“ Offenbar zählt man(n) sich eben gerne zur Gruppe der Genies, auch wenn man selbst nicht als solches erkannt worden ist.
Diesen Effekt habe ich schon so oft beobachten können. :/ Dient wohl dazu, ja nicht zu viele Selbstzweifel anzuhäufen.
Hallöchen,
von diesem Skandal habe ich gar nicht wirklich etwas mitbekommen. Deshalb vielen Dank für die Aufklärung! Es ist wirklich schade, dass auch so kulturelle Angelegenheiten von Intrigen verseucht sind.
Liebste Grüße, Kate
Liebe Kate,
es freut mich, wenn du meinen Artikel interessant fandest. Eigentlich würde nur eine radikale Neuerfindung des Literaturnobelpreises helfen, aber das ist sehr unwahrscheinlich.
Viele Grüße,
Janine
[…] Janine von Frau Hemingway ist der Ansicht der Literaturnobelpreis gehört abgeschafft, wieso und warum erklärt sie in ihrem Beitrag. […]
Hallo Janine!
Wieder ein toller Artikel aus deiner Feder! Mir war der Skandal leider auch gar nicht mehr so präsent, daher finde ich es toll, dass du das Thema so direkt ansprichst. Ob das generelle Abschaffen da die richtige Lösung ist will ich gar nicht beurteilen, aber es ist definitiv zu lange viel zu lapidar damit umgegangen worden. Ich denke ein großer Paukenschlag ist schon mal ein großer Schritt in die richtige Richtung. Aaaaaber ob das ganze dann nicht wieder 5 Hintertürchen offen hat … wer weiß, wer weiß?
Liebe Grüße, Birgit
Die Forderung, den Literaturnobelpreis komplett abzuschaffen, ist natürlich provokativ gemeint. Wobei es wahrscheinlich einfacher ist, ihn abzuschaffen als mal hinter den Kulissen aufzuräumen.
[…] Hemingway erklärt, warum sie findet, dass der Literaturnobelpreis abgeschafft gehört. Über die beiden Testamente Kafkas schreibt 54books: Wem gehört Franz Kafka? Bersarin reflektiert […]