Unter blutrotem Himmel von Mark Sullivan – Eine Geschichte über Mut

Mindestens einmal im Jahr lese ich einen Roman, der mit der Zeit des 2. Weltkrieges, dem Nationalsozialismus oder dem Holocaust zu tun hatte. Es ist als ob ich mich vergewissern wollte, dass diese Schrecken wirklich passiert sind; als müsste ich das Wissen darum auffrischen. „Unter blutrotem Himmel“ von Mark Sullivan ist einer dieser Romane und ich kann ihn sehr denjenigen Lesern empfehlen, die auch schon „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah gemocht haben.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass diese Art von Roman in den letzten Jahren häufig von US-amerikanischen Schriftstellern verfasst werden, in den USA zum Bestseller werden und dann erst in Deutschland erscheinen. Als würde sich kein deutscher Schriftsteller mehr daran versuchen, aus den spannenden Ereignissen, die im Nationalsozialismus geschehen sind, einen guten Unterhaltungsroman zu machen. Woran das liegt, weiß ich nicht. Ich könnte nur Vermutungen über eine gewisse Betriebsblindheit oder Geschichtsmüdigkeit unterstellen.
Unter blutrotem Himmel
Im Mittelpunkt des Romans steht die Geschichte des Italieners Pino Lella. Auf einer Dinnerparty hörte Mark Sullivan von der Lebensgeschichte des Italieners und konnte gar nicht glauben, dass diese Geschichte noch nicht als Buch veröffentlicht wurde. Das war 2006 als Pino Lella sogar noch lebte. Mark Sullivan flog in die Nähe von Mailand, führte lange Gespräche mit Pino Lella. Danach befragte er Historiker, Zeitzeugen, Priester oder Angehörige. Mark Sullivan unternahm über 10 Jahre Recherchereisen nach Israel, Deutschland, Großbritannien oder auch zu anderen Staaten in den USA. Am Ende ist „Unter blutrotem Himmel“ ein Roman, der sich eng an die biografischen Fakten aus Pino Lellas Leben zwischen 1943 und 1945 hält, aber natürlich auch in manchen Teilen aus Fiktion besteht.
Bis Juni 1943 war Pino Lella ein normaler Jugendlicher, der gern ins Kino ging und sich für Mädchen interessierte. Aber dann fallen die ersten Bomben auf Mailand und er muss nahezu über Nacht erwachsen werden. Seine Eltern schicken ihn, um seiner Sicherheit wegen, in die Alpen zur Sommerschule von Pater Re. Dort schließt sich Pino Lella einer Untergrundorganisation an, die Juden bei der Flucht aus Italien hilft. Pino Lella schmuggelt selbst eine Vielzahl von Juden und überlebenden Alliierten über die Alpen in die Schweiz. Später entschließt er sich sogar, für die Alliierten zu spionieren.
Das Leben von Pino Lella ist risikoreich und voller Gefahren, aber nichtsdestotrotz darf in einem solchen Roman wie „Unter blutrotem Himmel“ eine Liebesgeschichte fehlen. Pino Lella verliebt sich in die sechs Jahre ältere Anna. Anna ist der Grund, warum er nachts trotz der Kriegsschrecken einschlafen kann, aber reicht das?
Eine Geschichte über Mut
Der Roman „Unter blutrotem Himmel“ von Mark Sullivan ist temporeich und sehr spannend. Das Buch ist ein regelrechter „Pageturner“ wie auch schon „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah. Jeden Tag konnte ich es kaum erwarten, bis ich die Geschichte über Pino Lella weiterlesen konnte. Ja, vielleicht war ich ein wenig süchtig. Schließlich wusste ich nie, ob es für Pino Lella nicht doch böse ausgeht, ob er nicht doch von den Nazis erwischt oder jemand ihm nahestehendes ermordet wird. Ich konnte nicht fassen, wie mutig Pino Lella bei all seinen Taten war und wie genau sein moralischer Kompass funktionierte. Pino Lella ist in seine großen Taten immer ein bisschen hereingerutscht. Er hat nicht selbst beschlossen, ab morgen schmuggle ich Juden über die Alpen oder ab morgen spioniere ich die Nazis aus. Aber er hat auch nicht gezögert als andere Menschen ihn gefragt haben, ob er das tun würde. Am Mut und an der Moral Pino Lellas sollte sich jeder ein Beispiel nehmen.
Mark Sullivan: Unter blutrotem Himmel. Feder & Schwert Verlag. ISBN: 9781503950085. 596 Seiten. 12,99 €.