Mindestens einmal im Jahr lese ich einen Roman, der mit der Zeit des 2. Weltkrieges, dem Nationalsozialismus oder dem Holocaust zu tun hatte. Es ist als ob ich mich vergewissern wollte, dass diese Schrecken wirklich passiert sind; als müsste ich das Wissen darum auffrischen. „Unter blutrotem Himmel“ von Mark Sullivan ist einer dieser Romane und ich kann ihn sehr denjenigen Lesern empfehlen, die auch schon „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah gemocht haben.
Der Alltag kotzt mich an. Zum Glück nicht immer, aber manchmal. Manchmal wäre ich gern so frei wie Blanca und ihre Mutter, die nirgends zuhause sind. Sie reisen ständig, übernachten dort, wo es sich gerade anbietet und haben auch keinen festen Job. Vielmehr lässt sich Blancas Mutter mit ihrem Charme immer etwas einfallen, um noch ein bisschen Geld zu verdienen und wenn sie Schnaps in kleine Fläschchen abfüllt und den Leuten als Tropfen gegen die Einsamkeit verkauft. Aber die Leute glauben daran und sie freuen sich über die klugen Ratschläge einer Frau, die so gar nichts mit ihrem Leben gemein hat. Beim Lesen des Buchs „Blanca“ von Mercedes Lauenstein hätte ich auf manchen Seiten alles gegeben, um nur eine Nacht mit Blanca und ihrer Mutter unterwegs sein zu können – aber irgendwie hatte ich ja auch meine wilde Reise durch die Nacht.
Ein Buch wie ein riesiges Wurzelgebilde. Verästelt und verzweigt, schöpft es tief aus der Quelle der Hochkultur. Das macht es am Anfang vielleicht nicht ganz leicht, aber das Spuren verfolgen lohnt sich. Dieser Text soll einen kleinen Anreiz dazu geben, sich auf die Suche zu machen.
Zu Beginn des ersten Bandes von Elena Ferrantes Neapolitanischen Saga hätte ich niemals gedacht, dass ich alle vier Bände der Reihe lesen würde. Ich war regelrecht irritiert vom Medienhype, aber mehr noch als der Hype, hat mich das Wort Freundschaft in Verbindung mit dem Buch verunsichert. Die Geschichte von Elena und Lina sei die Geschichte einer großen Freundschaft, aber ich konnte diese Freundschaft im ersten Band nirgends entdecken.
Als ich den dritten Band der Neapolitanischen Saga von Elena Ferrante „Die Geschichte der getrennten Wege“ las, kam mir immer wieder das Thema Herkunft und Zugehörigkeit in den Sinn. Generell sind Herkunft und Milieu-Zugehörigkeit wichtig für die Neapolitanische Saga, aber in diesem Band sind die Unterschiede darin noch gegenwärtiger als in den ersten beiden Büchern.
Zuerst möchte ich mich herzlich bei Janine bedanken, die mir netterweise dieses lauschige Plätzchen in Ihrem Blog zur Verfügung stellt.
- „Die Geschichte eines neuen Namens“ ist der zweite Band der Neapolitanischen Saga von Elena Ferrante. Ich habe bereits im Sommer bei Erscheinen den ersten Band gelesen und rezensiert. Ich war mir noch nicht schlüssig, ob ich die Reihe wirklich weiterlesen möchte, denn im Gegensatz zu anderen Lesern finde ich an der Freundschaft von Elena und Lila keinen Gefallen. In meinen Augen ist es keine Freundschaft, sondern eher Eifersucht und Wettbewerb. Der Grund, warum ich den zweiten Teil der Tetralogie gelesen habe, ist Elena und ihr Aufstieg aus dem Elend des Rione durch Bildung. Und dann war ich vom zweiten Band überrascht, denn ich habe ihn viel lieber als „Meine geniale Freundin“, also den ersten Band, gelesen. Ich mag das Buch „Die Geschichte eines neuen Namens“ dafür, dass es so viel packender ist als der erste Band und in mir die Begeisterung für die Tetralogie geweckt hat.
- Manche Geschichten brauchen einige Zeit, bis sie ihre richtige Wirkung entfalten können. Das ist heutzutage meist schlecht, denn Leser haben keine Lust, sich durch viele Seiten dicker Wälzer zu graben, bis die Geschichte gut wird. Ich bin selbst so und deshalb habe ich mit mir gehadert, ob ich meine Lesezeit mit Elena Ferrante füllen möchte. Beim Lesen von „Die Geschichte eines neuen Namens“ war ich innerhalb weniger Seiten in der Geschichte versunken. Ich kenne die Figuren und ihre Marotten bereits aus dem ersten Band und weiß, was sie bewegt. Jeden Tag habe ich mich darauf gefreut, am Abend Elena Ferrante weiterlesen zu können. Diese Vorfreude auf ein Buch und Versunkenheit in eine Geschichte können nur die wenigsten Autoren auslösen.
- „Ich begann mir wieder Romane aus der Bibliothek zu holen und las einen nach dem anderen. Doch auf die Dauer taten sie mir nicht gut. Sie boten intensive Leben, tiefschürfende Dialoge, ein Trugbild der Realität, das fesselnder war als mein reales Leben.“
(Aus: „Die Geschichte eines neuen Namens“ von Elena Ferrante, Seite 113)
Allein für dieses Zitat hat sich das Lesen des Buchs gelohnt. - Die Hauptfigur Elena macht im zweiten Band der Tetralogie ihr Abitur und beginnt danach sogar ein Studium an der Universität. Außer ihr schafft das keiner aus dem Freundeskreis im Rione. Ich bewundere Elena für ihre eiserne Disziplin und ihren Mut. Sie hätte es so viel einfacher haben können – heiraten und dann die Hausfrau spielen. Aber sie strengt sich jeden Tag an, lernt bis in den Abend hinein und versucht ihre Fähigkeiten zu verbessern. Ich habe Freude, darüber zu lesen, wie sie mit ihrer harten Arbeit auch Erfolge einfährt. Elena ist für mich definitiv einer der Hauptgründe, Elena Ferrante zu lesen.
- Beim Lesen von „Die Geschichte eines neuen Namens“ wurde ich immer wieder mit Gewalt konfrontiert. Diese Gewalt geht häufig von Männern aus, die ihre Frau oder Kinder verprügeln, die anderen Menschen mit dem Schlimmsten drohen oder ganz einfach ihren eigenen Willen ohne Kompromisse durchsetzen. Elena Ferrante erzeugt mit dieser Art von Bedrohung zum einen Spannung und zum anderen sensibilisiert sie für diese Gewalt. Die Rollen von Mann und Frau sind streng definiert und es fühlt sich beim Lesen manchmal wie eine zu festsitzende Korsage an. Aber Lila und Elena unternehmen jede auf ihre Weise etwas dagegen. Das Buch hat also ganz klar auch feministische Komponenten.
- Nachdem ich den zweiten Band von Elena Ferrante fertiggelesen hatte, war ich traurig, dass es schon zu Ende war. Und noch trauriger war ich, dass der dritte Band erst im Mai auf Deutsch erscheint. Wahrscheinlich ist das dieses #ferrantefever von dem alle sprechen.
Kommentierfrage: Hast du Elena Ferrante schon gelesen? Was sagst du dazu?
Elena Ferrante ist aktuell überall: Im Spiegel mit einem großen Exklusivinterview, im literarischen Quartett, in den Feuilletons der großen Tageszeitungen, viele Literaturblogger schreiben über sie und auf Instagram werde ich förmlich von Fotos ihres Buchs „Meine geniale Freundin“ unter dem Hashtag #ferrantefever überflutet. Ferrante ist kurz davor zum Medienphänomen aufgebauscht zu werden. Wenn es nach den Journalisten geht, dann hat Deutschland fast eine Sensation verschlafen. Ist das tatsächlich so?
Vor einiger Zeit habe ich mich sehr intensiv mit dem Klassiker von Umberto Eco schlechthin befasst. „Der Name der Rose“. Das war ein Buch! Selten habe ich so ein Kaliber von Buch zur Lektüre vor der Nase gehabt. Gelesen habe ich dieses Werk im Rahmen meiner „100 Bücher aus 20. Jahrhundert“-Challenge. Andere machen halt 30 Tage lang Kniebeuge, ich lese 5 Jahre lang alte Schinken.