Ich kenne den Buchhandel. In einer kleinen unabhängigen Stadtbuchhandlung habe ich meine Begeisterung für Bücher entdeckt und dort auch viele Jahre immer wieder in den Ferien gearbeitet. Nachdem ich das Abitur gemacht hatte, fing ich bei einer großen Buchladenkette mit meinem dualen Studium an. Das war plötzlich eine ganz andere Welt. Die Filiale, in der ich einen großen Teil meiner Praxisphasen verbrachte, war in einem großen Einkaufszentrum auf der „grünen Wiese“. Hier gab es praktisch keine Stammkunden, keine ewiglangen und persönlichen Gespräche mit Kunden oder einfach mal 10 Minuten an den Tresen setzen und in ein neues Buch schauen.
Ich stehe auf schöne Dinge. Also in meinem Fall bedeutet das ganz konkret tolle Bücher und Magazine und zwar in der gedruckten Variante. eBooks konnte ich bisher wenig abgewinnen, das Plastik-Gehäuse der Reader verändert sich schließlich nicht mit jedem Buch. Oder der eReader verändert sich vielleicht schon durch Dellen und Kratzer – aber das ist das Gegenteil von schön. Wenn Verleger mich also begeistern wollen, dann sollten sie den Grafikern und Illustratoren ein anständiges Gehalt bezahlen, so dass diese Gestalter voll motiviert Kunst vollbringen können.
Ich setze mich auf das Sofa. Es ist der erste Tag nach der Leipziger Buchmesse 2016. Ein Tag nach vielen Tagen voller Bücherrausch, kilometerlanger Wanderungen und Gesprächen bis zur Heiserkeit. Nun sitze ich also endlich auf der Couch, zuvor habe ich meine Taschen ausgepackt und die verschwitzte Kleidung in die Waschmaschine geworfen. Leise surrt es aus dem Bad. Es ist etwa 11 Uhr am Vormittag und die Sonne durchflutet regelrecht mein Wohnzimmer. Vor mir liegt ein hellblaues Buch, ein dickes Buch, ein gewichtiges Buch, ein bedeutendes Buch. Eigentlich bin ich ziemlich erschöpft, ein wenig übermüdet und dennoch beginne ich zu lesen in dem Buch, welches ich mit zwei Händen halten muss. Eine Hand reicht nicht aus, ist zu schwach. Das war der Beginn meiner tagelangen Lesereise durch das Opus Magnum der modernen türkischen Literatur: Die Haltlosen von Oguz Atay.
Manchmal gibt es Bücher, die aus der Reihe tanzen. Und manchmal gibt es Verlage, die aus der Reihe tanzen. Ich bin immer noch ganz sprachlos wegen eines ungewöhnlichen Buchs aus einem ganz besonderen Verlag.