Eigentlich traut sich niemand, mir Bücher zu schenken. Aus Angst, dass ich das Buch schon habe oder dass ich es vielleicht nicht mögen könnte. Dabei kann man mir mit Büchern immer eine Freude machen und so habe ich mich vergangenes Weihnachten auch sehr über den Roman „Der Dorfgescheite“ von Marjana Gaponenko gefreut. Der Untertitel lautet „Ein Bibliothekarsroman“. Gekauft. Für einen Buchnerd wie mich das richtige. Zu Beginn war der Roman für mich etwas schräg, aber letztendlich habe ich die Charaktere sehr liebgewonnen. Darum, 3 Gründe „Der Dorfgescheite“ von Marjana Gaponenko zu lesen für euch:
Das erste Treffen
Als ich Robert Langdon zum ersten Mal traf war ich gerade erst 20 Jahre alt geworden. Ein paar Monate zuvor war ich bei meinen Eltern ausgezogen und erlebte die erste Praxisphase meines dualen Studiums im Buchhandel. Es war keine leichte Zeit für mich. So gut wie alles war neu: die Stadt (Leipzig), die Arbeit, die Menschen. Noch dazu war es gerade Winter und bei meinen Arbeitszeiten (häufig bis 20 Uhr) war ans Rausgehen nach der Arbeit ohnehin nicht zu denken. Ich fühlte mich damals ziemlich einsam und teilweise richtig überfordert, weil ich mit den Aussagen meines damaligen Chefs häufig nichts anfangen konnte.
Was machte ich also in meiner Freizeit? Ich las Bücher, denn davon gab es durch meine Arbeit im Buchhandel schon damals genug. Auf Arbeit entdeckte ich dann auch eine Schmuckausgabe mit vielen Fotos und Illustrationen des Buches „Illuminati“. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich nur Sakrileg im Kino gesehen und ich mochte ihn sehr, nicht zuletzt wegen Audrey Tautou als Sophie Neveu. Und dann las ich also „Illuminati“, weil mir mit meiner Freizeit nichts Besseres einfiel. Innerhalb eines freien Tages hatte ich „Illuminati“ ausgelesen und ich wollte am liebsten gleich meinen nächsten Urlaub in Rom planen. Aber so einfach war das ja nicht.
Das Dan Brown Rezept
Weil ich nicht aus meiner neuen Situation wegkam, habe ich mir am nächsten Arbeitstag gleich die Schmuckausgabe von „Sakrileg“ bestellt. Mir gefiel die Figur von Robert Langdon außerordentlich gut. Ein Harvard-Professor für religiöse Ikonologie und Symbologie im mittleren Alter, der trotz seiner Tätigkeit als Professor noch körperlich sehr fit war. Robert Langdons Erklärungen zu den ganzen Rätseln, die er im Verlauf der Bücher lösen musste, waren spannend und ich lernte auch immer etwas Neues über Kultur und vor allem Religion. Noch dazu war die Handlung an sich fesselnd, ganz Thriller eben. Es ging immer um große Themen, meist das Überleben der einzelnen Charaktere, denn sie befanden sich während ihrer anspruchsvollen Schnitzeljagd immer in höchster Gefahr. Auch Jahre später kenne ich nur wenige Autoren, die so gut recherchieren wie Dan Brown es tut.
Nach „Sakrileg“ musste ich natürlich gleich „Das verlorene Symbol“ lesen, es war erst wenige Monate zuvor erschienen. Aber es hat mich etwas enttäuscht damals. Es war anders als „Illuminati“ und „Sakrileg“ und die Handlung stellenweise abgedreht. Vielleicht erinnerst du dich an die Szenen mit dem Waterboarding und diese seltsame Flüssigkeit, in welcher der Mensch trotzdem atmen kann. Das war mir zu schräg. Und dann hörte ich erst wieder etwas von Robert Langdon als ich schon nach Chemnitz gezogen war und mein Leben sich erneut komplett geändert hatte. (Aber diesmal gefiel es mir außerordentlich gut.) 2013 erschien Inferno und es war wieder näher an „Illuminati“ und „Sakrileg“ dran, wenn auch nicht mehr ganz so gut.
Lohnt sich „Origin“ von Dan Brown?
Bei dieser Vorgeschichte hat mich natürlich auch das neue Buch „Origin“ von Dan Brown sehr interessiert. Ist es wieder so gut wie damals als es mir über meinen Kummer etwas hinweghalf? Ist „Origin“ spannend? Ich habe „Origin“ gerade erst gelesen und es ist natürlich spannend, aber dieses gleiche Gefühl wie bei „Illuminati“ und „Sakrileg“ kommt bei mir nicht mehr auf. Dan Brown hält sich an sein bewährtes Schema. Tilman hat dieses Schema auf seinem Blog 54Books sarkastisch, aber sehr treffend dargestellt. Und dieses Schema nutzt sich mit der Zeit eben ab. Die Wendungen in der Geschichte werden vorhersehbarer.
Dabei hat Dan Brown sich für „Origin“ schon etwas einfallen lassen. Er stellt Robert Langdon in „Origin“ nicht mehr so in den Vordergrund. Eigentlich hat Robert Langdon sogar ziemlich wenig zu tun, denn aus den sonst zehn verschiedenen Rätseln, ist nur die Jagd nach einem Passwort geworden. Robert Langdons Wissen über Symbologie wurde leider nicht wirklich gebraucht und gerade das hatte mich immer so fasziniert. Möglicherweise ist der Professor im sechsten Teil der Reihe arbeitslos, aber diese Aussage ist ein wenig ketzerisch.
Zusammenfassend ist „Origin“ von Dan Brown ein guter Thriller, aber er reicht nicht an die ersten Robert Langdon Bücher heran. Vielleicht wartest du einfach bis das Taschenbuch zu „Origin“ erscheint und gibst nicht die stolzen 28 € für die Hardcover-Variante aus.
Ich würde mich nicht als Harukist bezeichnen, schließlich habe ich bisher nur ein Buch von Haruki Murakami gelesen und das war vor etwa 10 Jahren. Seitdem nichts mehr. Aber Harukisten aus meinem Umfeld haben mich mit ihrer Euphorie neugierig gemacht.
Wer ist B. Traven?
Zunächst einmal der Autor B. Traven ist keine Erfindung von Torsten Seifert. Es gab ihn wirklich, aber seine wahre Identität ist unbekannt. Auch heute noch ist B. Traven ein literarischer Mythos. Und dieses Phantoms der Literaturgeschichte bedient sich Torsten Seifert sehr geschickt. Sein Buch „Wer ist B. Traven?“ handelt vom Reporter Leon Borenstein, der die Mission hat, aufzudecken, wer B. Traven wirklich ist. Die Geschichte beginnt im Los Angeles der 50er Jahre als Hollywood noch regelrecht glänzte. Leon trifft sich mit ein paar Strippenziehern aus dem Filmgeschäft, stellt Fragen und gibt selbst keine klaren Antworten. Alles erinnert sehr an einen Ganovenfilm aus der damaligen Zeit: Immer schwebt ein kleiner Hauch Gefahr in der Luft.
Eine Spur führt ihn zum Filmdreh des Klassikers „Der Schatz der Sierra Madre“ nach dem gleichnamigen Buch von B. Traven in Mexiko. John Huston führt Regie und die Hauptrolle spielt Humphrey Bogart. Mit am Set soll der Agent von B. Traven, ein Mann namens Hal Croves, sein. Leon muss an diesen Typen herankommen und der Vorwand ist ein Interview mit Humphrey Bogart, weil er zum ersten Mal außerhalb der USA einen Film dreht. Aber „Wer ist B. Traven?“ wäre kein gutes Buch, wenn es nur um einen alten unbekannten Schriftsteller gehen würde: Leon Borenstein beginnt eine Affäre mit der schönen Studentin Maria, die zufällig im gleichen Hotel übernachtet wie er. Damit wären schon einmal drei Erfolgskomponenten beisammen – Liebe, Geheimnis und Gefahr.
Ein Buch aus einer anderen Zeit
Als ich die ersten Kapitel des Buches „Wer ist B. Traven?“ gelesen habe und zu der Stelle kam, als Leon nach Mexiko reiste, musste ich mir unbedingt Ausschnitte aus dem Film „Der Schatz der Sierra Madre“ ansehen.
Es vermittelte mir eine gute Ahnung darüber, wie die Geschichte gewesen sein könnte, wenn sie denn real gewesen wäre. Torsten Seifert spielt sehr gekonnt mit Realität und Fiktion. Ganz gewiss gab es einen B. Traven, der nicht gefunden werden wollte und vielleicht gab es sogar einen Leon Borenstein, aber wissen kann ich es nicht. „Wer ist B. Traven?“ ist ein aufregendes Buch, aufregender noch als das neue Buch von Dan Brown, der bekanntlich auch Meister in der Vermischung von Realität und Fiktion ist. Und es ist auch aufregender als viele Bücher, die ich kenne. Torsten Seifert hat ein Abenteuerbuch aus einer längst vergangenen Zeit geschrieben und damit genau meinen Geschmack getroffen.
Torsten Seifert: Wer ist B. Traven?. Tropen Verlag. ISBN: 978-3608503470. 269 Seiten. 20,00 €.
Rose
Immer wenn sich eines der häufige Sommergewitter entlädt, bekommt Rose seltsame Kopfschmerzen und verliert kurz darauf das Bewusstsein. Dann träumt sie, dass sie eigentlich Harriet, die Lektorin wäre und lebt ihr Leben. Für Rose fühlen sich die Träume sehr real an und tatsächlich erlebt sie Episoden aus Harriets Gegenwart. Es ist kaum zu unterscheiden, ob Rose das wirklich nur träumt oder ob sie wirklich in Harriets Körper ist.
Eigentlich ist das Leben von Rose sehr ruhig und eintönig. Sie arbeitet in einem kleinen Kino, das der Familie gehört und schleppt sich zwischen den Filmvorführungen so dahin. Nicht einmal ihr Freund sorgt für ein bisschen Spannung. Beim Lesen fühlt man die Langeweile von Roses Leben förmlich zwischen den Seiten aufsteigen. Mit Beginn dieser Anfälle ändert sich diese Trägheit. Rose entwickelt eine seltsame Dynamik und möchte unbedingt herausfinden, wer diese Frau mit dem aufregenden Leben ist.
Kleine Schwester
Zeitgleich schreitet die Demenzerkrankung von Roses Mutter immer weiter fort. Sie hilft noch mit im Kino, aber sie mussten sogar schon jemanden anstellen, der ein wenig mehr Arbeit übernimmt und vor allem auf die Mutter aufpasst. Roses Mutter beginnt immer häufiger von Roses Schwester Ava zu sprechen, die schon seit vielen Jahren tot ist. Der Verlust wurde allerdings nie wirklich in der Familie aufgearbeitet.
In „Kleine Schwester“ von Barbara Gowdy vermischen sich Realität und Surrealität. Beim Lesen wusste ich häufig nicht, wo ich mich gerade befinde und was diese Verworrenheit für einen Sinn hat. Aber im Leben ist das auch häufig unbekannt. Wobei das Buch nicht so viel Handlung enthält, sondern viel mehr aus Erinnerungen und Gedanken besteht. Es ist ein seltsames Buch für mich. In Roses Familie bleibt so viel unausgesprochen und mir kommt es auch nicht so vor, dass Rose das jemals wirklich gestört hätte. Sie lebt einfach so vor sich hin und macht sich keine Gedanken um ihr Leben. Die Aufregung durch Harriet hat auch nicht wirklich Konsequenzen für Roses Lebensführung. In meinen Augen gibt es da keine Entwicklung. Schade!
Barbara Gowdy: Kleine Schwester. Verlag Antje Kunstmann. ISBN: 978-3956141966. 240 Seiten. 22,00 €.
Andere Meinungen zum Buch
Schreibtrieb
Céleste
Im Zentrum des Romans von Peter von Becker steht die Jahrhundertkünstlerin Céleste Salvatori. Schon der Name der Künstlerin ist interessant: Céleste für himmlisch, Salvatori für Retter. Aber wen wird sie retten oder hat sie bereits gerettet? In der Welt des Romans ist Céleste international berühmt. Ihre Berühmtheit ist vergleichbar mit der einer Frida Kahlo oder eines Picasso und ihre Kunstwerke sind sowohl ausdrucksstark als auch von Bedeutung. Ihre Geschichte beginnt damit, dass der Anwalt Edvard Krieger und Freund der Familie zu ihr reisen und von ihr ein Geheimnis erfahren soll. Sie ist zu diesem Zeitpunkt bereits 99 Jahre und bei ihrem Anblick beginnt Edvard Krieger in so herrlichen Sätzen zu philosophieren: „Wir stellen uns die Uralten, die Hundertjährigen schon fast blutleer vor, völlig ledern, knöchrig, mit steinkalten Herzen und Augen, die schauen aus Gespensterhöhlen und blicken durch uns hindurch in ein fernes Land. Aber dort sitzt diese Frau, als sei ihre Erinnerung noch Gegenwart, und viel größer als ihre Kunst ist das Wunder ihrer Natur. Der Tod hat sie längst vergessen.“ (Aus: „Céleste“ von Peter von Becker, Seite 124)
Céleste erzählt also aus ihrem Leben. Von dem ärmlichen Beginn auf Korsika, ihrer Hochzeit, der Geburt ihrer Tochter und ihrem Kunststudium. Noch dazu war sie während des 2. Weltkrieges Kämpferin in der französischen Résistance. Es war eine bewegte Zeit, eine grausame Zeit, deren Ereignisse sie ihr Leben lang nicht vergessen würde.
Verirrung und Verblendung
Der Roman „Céleste“ besteht aus 5 Geschichten, eine davon ist die um die Künstlerin. Aber dann gibt es noch den Autor des Beststellers „Der glückliche Hiob“ Jonas Hecker, der von seinem Verleger auf eine der Äolischen Insel eingeladen, um ein zweites Buch zu schreiben. Jonas Hecker nimmt die Einladung an, aber wehrt sich gegen das Schreiben. Es gibt keinen Stoff und so schafft er kleinere Texte, keinesfalls einen ganzen Roman. Dennoch sind seine Sätze von vielversprechendem Klang: „Wir waren einmal Schlangen, Blindschleichen, und haben uns Hände und Köpfe erfunden. Der Mensch ist erst eine Schöpfung des Menschen.“ (Aus: „Céleste“ von Peter von Becker, Seite 18) Aber in späteren Geschichten erfahre ich, dass Jonas Hecker verschwunden ist – vermutlich entführt. Außerdem enthält das Buch „Céleste“ noch die Geschichte der Fotografin Marie Bach und des Philosophen Julius Seelenberg. Das Paar ist auf gemeinsamer Reise nach Japan. Es ist ein Stipendium für Marie Bach, bei dem sie fotografieren soll und bei einer dieser Ausflüge entdecken die beiden ein weiteres Geheimnis.
Peter von Becker hat mit seinem Roman aus 5 Geschichten ein köstliches Verwirrspiel voller Poesie geschaffen. Auch nach dem Lesen denke ich noch an seine kraftvollen Sätze und die geheimnisvollen Dialoge. Alle Geschichten stehen miteinander in Verbindung, aber das ganze Ausmaß begreift man wohl erst, wenn man „Céleste“ ein zweites Mal liest. „Céleste“ ist ein zutiefst romantisches Buch: Das ganze Personal des Romans besteht aus Reisenden, immer wieder spielt das Meer eine Rolle und die Sehnsüchte der Protagonisten sind von großer Bedeutung für den Verlauf des Buches. Bitte mehr davon.
Peter von Becker: Céleste. Mare Verlag. ISBN: 978-3866482777. 240 Seiten. 22,00€.
Kommentierfrage: Wann warst du zuletzt am Meer?
Jonas auf der Suche
Der Name Jonas hat drei Bedeutungen: 1. Geschenk Gottes 2. Taube 3. Zerstörer. Alle drei Bedeutungen scheinen irgendwie auf den Protagonisten Jonas zuzutreffen. Er selbst bezeichnet sich als den „König der Schwachmaten“, weil er so verpeilt ist. Jonas ist genervt von der Welt, wünscht sich eigentlich alle Menschen weg, weil es dann nicht mehr so unsauber wäre. Schon vor einer Weile hat Jonas innerlich mit seinem Studium abgeschlossen, er könnte noch einen letzten Versuch bekommen, wenn er den Professor um einen allerletzten Prüfungsversuch bitten würde, aber das macht er nicht. Das eigene Scheitern hinzunehmen fällt Jonas leichter.
Das vergeigte Studium ist aber nicht Jonas einziges Problem. Erst vor Kurzem ist Opa Ernst gestorben und hat ihm 5000 € und einen Zettel auf dem steht „Finde diesen Mann. Valerij Butzukin.“ hinterlassen. Jonas interpretiert diesen Auftrag so, dass Valerij Butzukin sein leiblicher Vater sein muss, weil seine Mutter diese Information immer vor ihm geheim hielt. Vielleicht wusste Opa Ernst die Wahrheit und traut sie sich nur in Anbetracht seines nahenden Todes aufzuschreiben. Also wie soll Jonas jetzt nach Moskau kommen, wenn gerade dort der dritte Weltkrieg auszubrechen droht und die Nachrichtenticker dazu schon über den unteren Buchrand laufen?
Jonas geht erstmal einen trinken. In einer Bar trifft Jonas auf die beiden Russen Juri und Stas und entdeckt in ihnen die Freunde, die er schon immer wollte, aber nie hatte. Für mich war die Freundschaft dieser jungen Männer ein Lichtblick in „Die Nacht ist laut, der Tag ist finster“, denn Jonas hat Freundschaft in dieser verqueren Welt bitter nötig.
Die drei besten Kapitelüberschriften aus „Die Nacht ist laut, der Tag ist finster“
- Ewige Weiten, Berge aus Schnee und Cola
- In der Hölle aus Beton
- Lassen Sie uns durch, wir sind durch!
Die Nacht ist laut, der Tag ist finster
„Die Nacht ist laut, der Tag ist finster“ ist rasant geschrieben, beim Lesen kam ich den Plot Wendungen kaum hinterher. Immerzu versuchte ich mich zu orientieren und musste dann doch feststellen, dass ich nur Jonas, der „König der Schwachmaten“ war. Aber es überforderte mich nicht, ich genoss das Gewusel und die gelegentlichen Pistolenschüsse, die Kat Kaufmann auf mich in Form von Zitaten wie „Ich glaube, ich hasse alles, was ihr liebt.“ (Seite 182) abfeuerte.
Kat Kaufmann hat die gekonnte Verwirrung des Lesers perfektioniert. Sie möchte nicht, dass man immer gleich Bescheid weiß. So ist die Welt nicht. „Die Nacht ist laut, der Tag ist finster“ ist in der zweiten Person Singular verfasst und dadurch fühle ich mich genauso durcheinander und am Ende mit dem Leben wie der Protagonist Jonas. Manchmal wechselt Kat Kaufmann dann noch in die erste Person Singular, um den Leser ganz durcheinander zu bringen. Wie auch schon bei Martin Heidegger ist der Mensch, konkret Jonas, in die Welt geworfen und muss sich seinen eigenen Sinn suchen, sich in dieser Welt behaupten. Vielleicht kann man Jonas Road Trip als Identitätssuche bezeichnen, aber eigentlich gibt es keine Identität zu finden.
Der Mensch versteht nichts. „Ihr seht das Größte, das sich im Kleinsten wiederspiegelt. Das Universum. Aber ihr seht es nicht. Ihr sprecht, aber hört nicht. Ihr sucht, und findet nur Verwirrung.“ (Seite 9) Mit der Suche nach Sinn und Identität strampelt sich der Mensch laut Kat Kaufmann nur sinnlos ab, weil er am Ende doch nichts versteht. Das ist nicht hoffnungsvoll, aber das ist auch nicht Kat Kaufmanns Thema. Ihr Thema ist die Entfremdung. Am Ende des Buches taucht eine Wahrsagerin auf, die Jonas angeblich von seinen Dämonen befreit. Sie sagt ihm auch: „Es gibt helle, leuchtende Gestirne, und es gibt den tiefen, abgründigen Wald. Wir alle sind ihre Kinder. Und wenn die Nacht laut ist und der Tag finster – muss die Dunkelheit dein Freund werden, damit du die Sterne wieder sehen lernst.“ Und damit ist alles gesagt.
Kat Kaufmann: Die Nacht ist laut, der Tag ist finster. Tempo Verlag. ISBN: 978-3455001051. 272 Seiten. 20,00 €.
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Muromez
Pfeil und Bogen
Natürlich war ich da neugierig, wie dieser Schriftsteller schreibt und was für Themen er behandelt. Ich musste das neuste Buch von T.C. Boyle „Die Terranauten“ also kurz nach Erscheinen lesen, denn bisher habe ich noch überhaupt nichts von ihm gelesen gehabt.
„Die Terranauten“ – Leben in einem Experiment
Dawn Chapman, Ramsay Roothoorp und Linda Ryu haben sich alle um einen Platz im „Ecosphere 2“- Experiment beworben. Insgesamt 16 Personen nehmen am Auswahlverfahren teil. 8 Kandidaten werden dann für 2 Jahre unter einer Glaskuppel, der „Ecosphere 2“, eingeschlossen und untersuchen, ob der Mensch in einem kleinen geschlossenen Ökosystem überleben kann. Die Teilnehmer müssen sich dann mit den eingesperrten Tieren und dem Anbau von Pflanzen selbst versorgen. Während der 2 Jahre darf nichts rein und nichts raus. Das ist das Gelübte, das sich alle Teilnehmer abgenommen haben, denn der zweite Versuch ist die letzte Chance, der Menschheit zu zeigen, dass der Mensch beispielsweise auf dem Mars oder auf der Erde überleben könnte, wenn alles andere in Schutt und Asche liegt.
Der erste Versuch ist schon nach einem Unfall gescheitert. Die Schleuse musste wegen einer abgetrennten Fingerkuppe geöffnet werden und damit war alle Glaubwürdigkeit des Experiments verspielt. Die Crew der zweiten Mission musste es also unbedingt besser machen. Jeder Bewerber wollte Teil dieser Mission sein, sei es wegen des Ruhms oder ehrlichem Interesse an der Forschung. Keiner kann wissen, was passiert, wenn 4 Frauen und 4 Männer für 2 Jahre in ein riesiges Terrarium eingesperrt werden. Das Experiment soll dabei nicht nur Ergebnisse über die Entwicklung der Natur liefern, sondern auch wertvolle Informationen über das zwischenmenschliche Verhalten und die Gruppendynamik sammeln.
Der Roman beginnt mit unmittelbarer Bekanntgabe der Teilnehmer an Mission 2, also dem Ergebnis der Auswahlphase. Dawn Chapman, Ramsay Roothoorp und Linda Ryu sind jeder auf seine Weise sehr angespannt und ich verrate dir schon einmal, dass nicht alle 3 Mitglieder der zweiten Mission werden. Nichtsdestotrotz wird die Geschichte von T.C. Boyle abwechselnd aus der Perspektive dieser 3 Personen geschildert.
T.C. Boyle – ein Meister des Zwischenmenschlichen
Das Buch „Die Terranauten“ ist virtuos komponiert, denn je weiter ich das Buch gelesen habe, desto spannender wurde es für mich. Zu Beginn widmet sich T.C. Boyle ausführlichen Charakterstudien und beschreibt seine Figuren und ihre Eigenheiten sehr penibel. Das gefällt wahrscheinlich nicht jedem Leser, denn die Handlung an sich erzeugt nicht sonderlich viel Spannung auf den ersten 100 Seiten.
Aber ich habe es geliebt und noch viel mehr, als im weiteren Verlauf des Buchs die Entwicklung der Charaktere und ihrer Wünsche immer verzwickter wurde. T.C. Boyle hat im Laufe des Experiments noch etwas Dramatik hinzugefügt, die durch die äußeren Umstände verursacht wurden, wie beispielsweise Hunger und Lebensmittelknappheit. Der Fokus bleibt aber ganz klar auf den zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Teilnehmern der zweiten Mission. Diesen Umstand finde ich sehr spannend und er brachte mich auch dazu, die letzten 200 Seiten des Buchs in einem Rutsch durchzulesen. Ich wurde von der Geschichte völlig vereinnahmt.
Eine Geschichte nach einer wahren Begebenheit
Umso interessanter war es für mich, dass „Die Terranauten“ auf einer wahren Begebenheit beruhen. 1991 wurde „Biosphäre 2“ in Arizona erbaut, um zu beweisen, dass ein sich selbst erhaltendes Ökosystem mit darin lebenden Menschen existieren kann. T.C. Boyle hat sich zunächst sehr genau die realen Begebenheiten gehalten, weicht dann aber im Zeitverlauf davon ab. Du solltest das Experiment aber erst googeln, wenn du „Die Terranauten“ gelesen hast, sonst nimmst du dir vielleicht die eine oder andere Gegebenheit vorweg.
Im Buch geht es aber noch um viel mehr als die Gruppendynamik, immer wieder kritisiert T.C. Boyle die Gesellschaft. Zum Beispiel wurden die Teilnehmer auch ein bisschen nach ihrem Aussehen ausgewählt. Das Experiment ist von Anfang an auch darauf ausgelegt, für Medienrummel zu sorgen und damit Geld zu verdienen. Beim Lesen fragte ich mich immer wieder, ob überhaupt noch ernsthafte Wissenschaft möglich ist, wenn damit immer gleich Geld in Verbindung steht. Oder allein die Notwendigkeit eines solchen Experiments spricht Bände, denn wenn die Menschheit die Erde nicht so „herunterwirtschaften“ würde, dann müsste niemand sich Gedanken machen, ob man auch außerhalb von ihr überleben kann.
Fazit
„Die Terranauten“ von T.C. Boyle ist ein vielschichtiger Roman, der spannend und gesellschaftskritisch zugleich ist.
T.C. Boyle: Die Terranauten. Carl Hanser Verlag. ISBN-13: 978-3446253865. 608 Seiten. 26,00 €
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Readpack
Buchbunt
Paper and poetry blog
Kommentierfrage: Würdest du gern bei einem solchen Experiment mitmachen? Warum?
Alles, was Sie tun müssen, um Zutritt zu meiner Geschichte zu erhalten, ist, diese Seite als schwere Eichentüre zu begreifen. Und anzuklopfen.
Klopfen Sie!
Aus: „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Philip Krömer, Seite 9
Über die nordische Mythologie – „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“
Ymir ist alt. Richtig alt. Denn er ist der Urriese aus dem die Welt und der Himmel entstanden ist. Dazu gibt es natürlich auch eine Sage aus der nordischen Mythologie: Ymir war nicht männlich oder weiblich, er war zweigeschlechtlich. Der Urriese entstand als sich das Gletschereis von Niflheim (das eisige Gebiet im Norden laut nordischer Mythologie) und das Feuer von Muspellsheim (der Gegenpol zu Niflheim im Süden) vermischten. Gesäugt wurde der Urriese von der Urkuh Auðhumbla. Aber das alles ist noch nicht sonderlich spannend. Die ersten Götter Odin, Vé und Vili erschlagen Ymir und erbauen aus ihm die Welt: Sie formten aus seinem Fleisch die Erde, sein Blut wurde zum Meer, aus Knochen gestalteten sie Felsen und Gebirge, sein Haar wurde zu Bäumen, der Himmel entstand aus Ymirs Schädel und die Wolken aus seinem Gehirn. Die Schöpfung der Welt, wie wir sie kennen, begann in der nordischen Mythologie also mit einem Mord.
Aber das ist nicht alles in „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Philip Krömer, denn Ymir dient nur als Vehikel für die eigentliche Geschichte. Wie in allen guten Abenteuerromanen oder -filmen wird die eigentliche Handlung durch eine Sage oder uralte Legende angereichert beziehungsweise damit unterlegt. Es entsteht eine Atmosphäre aus Geheimnis und höherer Bedeutung.
Wir fallen aus allen Wolken.
Links und rechts je ein Motor, die heulen und schlagen die dünnen Wolken mit ihren Rotorblättern wie Sahne, kuttern sie wie Hirn, unter uns drei Handbreit Blech und dann kilometerweit Leere. Ein Nichts aus scharfem skandinavischem Seewind und vereinzelten Möwen unter den Füßen, das nun anfängt zu schrumpfen, sich zu verkürzen und uns unserer Bestimmung zuzuführen.
Die dort unten auf uns wartet (lauert).
Aus: „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Philip Krömer, Seite 21
Auf der Suche nach alten Nazischätzen?
Denn eigentlich handelt „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Karl und seinen beiden Begleitern KleinHeinrich und VonUndZu. Die drei sind im Auftrag der obersten Führungsriege der Nationalsozialisten nach Island aufgebrochen. Es ist das Jahr 1939, der Krieg hat noch nicht begonnen, hängt aber schwer in der Luft. Die Expedition in Island soll 20 Tage dauern, dann werden die Abenteurer von ihrem Piloten wieder auf der notdürftig gebauten Piste wieder abgeholt werden und bis dahin sind sie auf geheimer Mission. So geheim, dass Karl bei der Landung noch nicht einmal weiß, worüber er den Naziführern berichten soll, wenn er wieder in Deutschland ist. Karl ist abgestellt wurden als Protokollant, denn das Volk und der Führer braucht gute Geschichten, um den Traum der Arier weiterträumen zu dürfen.
Aber KleinHeinrich weiß mehr. Er hat die nötigsten Instruktionen bekommen und führt die Reisegruppe Ymir zu einem Loch im Boden. Ein Loch aus Beton – „sichtbar von Menschenhand glattgespachtelt“. Sie befinden sich nun „im Bunker. Über dem Loch.“ Das Ziel der Reise.
Es lacht (das Abenteuer), und wie es lacht, mit aufgerissenem, lippen- und zahnlosem Schlund. In diese UnSchwärze sollen wir steigen? Über Ymirs versteinerte Zunge und dann hinab?
Natürlich sollen wir. Werden wir. Als brave Bürger, was bliebe uns anderes übrig?
Genau:
Nichts.
Aus: „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Philip Krömer, Seite 73
Ein aus der Zeit gefallener Abenteuerroman
Für mich war „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Philip Krömer eine Überraschung. Ich habe mich vor dem Lesen nicht wirklich mit dem Inhalt des Buchs beschäftigt, da ich dieses Buch im Rahmen des Buchbloggerpreises „Das Debüt 2016“ gelesen und für den Preis bewertet habe. Irgendwie rechnete ich nicht mit dieser Art von Buch, die über große Mythologie, Entdeckungen und Heldentaten berichtet. Das ist irgendwie unüblich geworden und doch haben die Abenteuergeschichten nicht die Wirkung verloren, die sie als kleines Kind auf mich hatten. Es ist ein Geschichtenstoff, die nicht rational über die neuronalen Netze verarbeitet wird, sondern ohne Umwege tiefere Bedürfnisse des Menschen anspricht.
Philip Krömer hat alles richtig gemacht in dem er gegen die Zeit geht. Ich kenne neben „Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ nur einen aktuellen Abenteuerroman – „S. Das Schiff des Theseus“ und dann erst wieder Klassiker. Zugleich ist Abenteuerroman ein Label, dass verleitet das Niveau des Buchs zu unterschätzen. In den Zeilen dazwischen steckt schließlich auch Lebensweisheit und es geht nicht nur ums Abenteuer, sondern auch der Nationalsozialismus wird thematisiert.
Fazit
„Ymir oder aus der Hirnschale der Himmel“ von Philip Krömer überrascht mich mit einem für die Gegenwart ungewöhnlichen Konzept – das Abenteuer. Hoffentlich werde ich in Zukunft häufiger so überrascht.
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Buchrevier
Aus.gelesen
Literaturen
Kommentierfrage: Was hälst du von Abenteuerromanen?
Um es nochmals zu verdeutlichen, die eigentliche Arbeit hat Doug Dorst gemacht. J.J. Abrams gab lediglich den Anstoß, wie bei vielen seiner Projekte. Seit Oktober ist von „S. Das Schiff des Theseus“ eine deutsche Übersetzung erhältlich, die Übersetzer waren Tobias Schnettler und Bert Schröder. Ich habe mir bereits vor 1,5 Jahren „S“ gekauft, das englische Original. Und ich rate jedem, der nicht sehr gut Englisch beherrscht, lieber auf die Übersetzung auszuweichen. Es fallen ziemlich häufig Wörter, die kaum in der Alltagssprache verwendet werden.
S. – Ein Mysterium
Das Buch besteht aus mehreren Erzählebenen. Zugrunde liegt dem Experiment die Geschichte „Das Schiff des Theseus“. Das ist eine Art Abenteuerroman verfasst im Stil von Kafka, Karl May und James Bond, aber auf Alkohol. Die „innere Geschichte“ liest sich also wie ein Klassiker. Und sie beginnt mit dem Auftauchen von S. aus dem Nichts. Er weiß selbst nicht, wer er ist und wo er herkommt. S. landet in einer Hafenkneipe und lernt eine schöne Frau kennen, Sola. Literaturkenner ahnen natürlich Böses: S. wird irgendwie unter Drogen gesetzt und findet sich dann an Bord eines mysteriösen Schiffs mit Gruselbesatzung wieder.
Every story has at least a little truth in it. Every story comes from somewhere. – S. 149
Das fiktive Buch „Das Schiff des Theseus“ stammt vom Autor V.M. Straka, der wohl mindestens so mysteriös wie dessen Protagonist S. ist. Schon allein der Autorenname klingt die Verwandtschaft mit Kafka an. Keiner weiß, wer Straka war. Er ist ein Geist wie Shakespeare. Um die Identität noch weiter zu verschleiern, schreibt Straka jedes seiner Bücher in einer anderen Sprache, man kennt also nicht einmal seine Nationalität im Ansatz. „Das Schiff des Theseus“ verfasste er in Tschechisch, übersetzt wurde es von F.X. Caldeira. Der Übersetzer oder die Übersetzerin ist ebenfalls zunächst unbekannt. Im Buch findet sich dann die zweite Ebene – die Fußnoten durch den Übersetzer.
We are the sums of our experiences? Or do some of them change us in fundamental ways? – S. 248
Um dem Werk noch eine weitere Schicht hinzuzufügen Schreiben die Studenten Jen und Eric sich Nachrichten und Hinweise in ein altes Bibliotheksexemplar von „Das Schiff des Theseus“. Gemeinsam versuchen sie die Geschichte zu deuten und das Geheimnis hinter V.M.Straka zu entschlüsseln. Die äußere Geschichte entwickelt sich nicht unbedingt linear, wie die innere Geschichte um S. Jen und Eric lesen das Buch mehrmals und hinterlassen auch immer andere Komentare. Die Chronologie wird in der englischen Variante wie folgt angedeutet:
1. Bleistiftmarkierungen durch Eric: Damals kannten er und Jen sich noch nicht.
2. Blau (Jen) und Schwarz (Eric): Die beiden lernen sich kennen und beginnen einander zu schreiben über das Buch.
3. Grün (Eric) und Orange (Jen) Der zweite Durchgang.
4. Lila (Jen) und Rot (Eric): Der dritte Durchgang, nachdem sich beide gesehen haben.
5. Schwarz (beide): Der letzte Durchgang.
Anhand der Farben erkennt man sehr gut, wie sich auch die Deutung der Textpassagen für die beiden ändert und natürlich ihre Beziehung zueinander. „S. Das Schiff des Theseus“ ist also eine sehr verschachtelte Angelegenheit. Persönlich empfehle ich, immer erst ein Kapitel der inneren Geschichte zu lesen und danach die Bemerkungen und Beilagen zu dem Kapitel. Zuerst habe ich versucht, die Geschichte Seite für Seite zu lesen, allerdings kommt so die eigentliche Geschichte kaum in Fluss.
Rätsel über Rätsel in „S. Das Schiff des Theseus“
Jen und Eric versuchen hinter die Identität von V.M. Straka zu kommen. Zu Beginn gibt es dafür mehrere Varianten:
1. Straka existiert und Caldeira übersetzte und füllte die Lücken in der Geschichte, wo Teile verloren gingen.
2. Caldeira füllte nicht nur die Lücken, sondern fügte auch noch weitere Teile nach eigenem Ermessen hinzu.
3. Caldeira musste überhaupt keinen Inhalt hinzufügen und Straka schrieb das Buch allein.
4. Straka und Caldeira sind die gleiche Person.
5. Das ganze Buch ist ein Hoax und jemand imitiert lediglich Strakas Schreibstil.
Parallel dazu verläuft die Entwicklung von S. in der inneren Geschichte. Er kennt seine Identität nicht und versucht zu entdecken, wer er ist. Gespiegelt wird das vom Geisterschiff, auf dem S. mehr oder minder freiwillig Passagier ist. Das Schiff des Theseus ist ein Paradox aus der Antike: Verliert ein Gegenstand seine Identität, wenn nacheinander alle seine Einzelteile ausgetauscht werden? Die Frage nach der Identität zieht sich durch das gesamte literarische Experiment.
And his greatest revelation is personal: he doesn´t care about Vévoda anymore. As long as the man lives, S. and others will resist what he brings to the world. When Vévoda dies, someone else will take his place. When S. dies, someone else will take his place. Another S. Another story. – S. 451
Ein weiteres interessantes Motiv ist die Verehrung des Wortes. An vielen Stellen taucht die Liebe zum Wort und der Erzählung in unterschiedlichsten Formen auf: Als Malerei in einer Höhle, Niederschriften von diversen Personen im Buch, in den Worten von S. und natürlich in den Bemerkungen von Jen und Eric, die erst durch das geschriebene Wort zueinander finden.
Wenn man „S. Das Schiff des Theseus“ wirklich für sich entdecken möchte, dann sollte man sich dafür viel Zeit nehmen. Es reicht nicht, das Buch einmal komplett durchzulesen, um alles zu entdecken. Doug Dorst hat in den Kapiteln viele Rätsel versteckt:
- Wie kann die Nachricht von Caldeira in Kapitel 10 mithilfe der EOTVOS-Drehscheibe gelöst werden?
- Wie können im Allgemeinen die Fußnoten in jedem Kapitel entschlüsselt werden?
- Was haben die Affen zu bedeuten und warum soll man ihnen folgen?
- Warum passiert aller 19 Seiten etwas Wichtiges im Buch?
- Was sind die Städte, deren Anfangsbuchstaben nur gegeben sind?
Fazit
„S. Das Schiff des Theseus“ ist ein grandioses literarisches Experiment, dass dem Leser noch viele Dinge offen lässt, um ihn tagelang zu beschäftigen.
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Bibliophilin
Das graue Sofa
Kommentierfrage: Habt ihr „S. Das Schiff des Theseus“ schon gelesen? Was ist euer Eindruck?