Bis ich etwa 16 Jahre alt war, wollte ich immer Medizin studieren. Warum das damals so war, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Wahrscheinlich wollte ich Menschen helfen, die Welt besser machen und vor Krankheit und Seuchen retten – was man eben so möchte als Kind und Jugendliche. Mit dem Älter werden verschieben sich dann die Perspektiven und ich habe erkannt, dass die Welt doch komplexer und vielschichtiger ist, als zunächst angenommen. Manche Menschen haben diese Erkenntnis auch und bleiben dann trotzdem bei der Medizin, wie zum Beispiel Joseph Lister, um den es im Buch „Der Horror der frühen Medizin“ von Lindsey Fitzharris geht.
Becoming Michelle Obama
Irgendwie hatte ich immer das Bild, dass Michelle Obama in einer wohlhabenden Familie aufwuchs, aber schon die ersten Seiten von „Becoming – Meine Geschichte“ haben mir etwas anderes gezeigt: In der Familie von Michelle Obama gab es viel Liebe, aber keinesfalls viel Geld. Sie wuchs in der Southside von Chicago auf – ein Viertel, dass zu Beginn ihrer Kindheit noch von schwarzen und weißen Familien bewohnt war, aber mit fortschreitender Zeit immer weiter abstieg. Die Weißen zogen aus dem Stadtteil weg, hinaus in die Speckgürtel von Chicago. In Vororte, in denen es kaum schwarze Familien gab. Nichtsdestotrotz schaffte es Michelle Obama nach Princeton und nach Harvard, obwohl die Studienberatung ihr zu verstehen gab, dass sie „kein Material für eine Universität der Ivy-League“ wäre. Diese Aussage entfachte Michelle Obamas Ehrgeiz und sie schaffte es tatsächlich, angenommen zu werden.
In Harvard besuchte Michelle Obama dann die Law-School und machte ihren Master in Jura, um Anwältin zu werden. Aber ziemlich schnell nach dem Abschluss und dem Beginn ihrer Arbeit in einer großen Kanzlei in Chicago fragte sie sich, warum sie eigentlich Jura studiert hatte und Anwältin geworden war. Es war nicht wirklich ihr Herzenswunsch und die Arbeit erfüllte sie auch nicht wirklich mit Freude. In „Becoming – Meine Geschichte“ gesteht sie sich dann ein, dass es eher um die Anerkennung ihrer Mitmenschen ging. Das war Michelle Obama eine große Motivation für ihre gesamte schulische Laufbahn. Das Prinzip Anstrengung/Ergebnis ließ sie einfach immer weitermachen und ich kann sie da gut verstehen, denn nach diesem Prinzip studierte ich auch.
Michelle und Barack Obama
Zunächst wollte Michelle Obama eigentlich gar nichts von Barack Obama wissen. Er war Sommerpraktikant und sie seine Mentorin. Eine Beziehung war nicht verboten, nichtsdestotrotz hatte Michelle Obama kein Interesse. Aber irgendwann überredete Barack Obama sie trotzdem zu einer Verabredung. Damals konnte noch keiner ahnen, dass Barack Obama einmal der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte. Wenn es nach Michelle Obama gegangen wäre, wäre das auch nicht passiert. Eigentlich wollte sie nicht, dass Barack Obama in der Politik immer weiteraufsteigt. Schließlich war er dadurch immer seltener zu Hause und die beiden hatten zwei kleine Kinder.
Aber Michelle Obama unterstützte ihren Ehemann dennoch und investierte viel Zeit in den Wahlkampf. Nach dem Lesen von „Becoming – Meine Geschichte“ wurde mir bewusst, dass Michelle Obama sehr viel für die Karriere ihres Mannes opferte und sie Stück für Stück ihre eigene Karriere immer mehr aufgab und einige Kompromisse in Kauf nahm. Und spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem Michelle Obama First Lady wurde, wurde das auch so von ihr erwartet. Vielleicht nicht von Barack Obama, aber definitiv von der Gesellschaft.
Das Leben einer First Lady
Überhaupt war Michelle Obama eine untypische First Lady und das lag nicht unbedingt an ihrer Hautfarbe. Sie wollte etwas bewegen in den USA. Aber sie wusste, dass dies nur durch ein sehr sensibles Vorgehen möglich sein würde. Denn schon Hillary Clinton hat gezeigt, was passiert, wenn sich die First Lady in die Politik einmischen will: Die Öffentlichkeit schreit auf und die First Lady wird – egal, wie gut ihre Absichten sein mögen, scheitern. Aber die First Lady ist nicht ohne Macht: Ihre Macht ist nur viel weicher und diffuser. Es hat einige Zeit gedauert, bis Michelle Obama diese Macht wirklich verstanden hat und nutzen konnte. Sie initiierte Kampagnen für die Gesundheit von Kindern und für Soldatenfamilien. Sie zeigte, dass eine First Lady nicht nur stocksteif lächelnd und winkend herumstehen muss, sondern zum Beispiel auch mit Missy Elliot Karaoke singen kann.
Auch Michelle Obama passierte der eine oder andere Fauxpas, aber sie sprach ehrlich darüber und versuchte nichts zu vertuschen – auch sie ist nicht perfekt. Überhaupt ist „Becoming – Meine Geschichte“ ein ziemlich ermutigendes Buch, denn Michelle Obama wuchs in einer Familie mit wenig Geld auf, schaffte es aber trotzdem eine gute First Lady zu werden, die für ihre Werte einsteht. Natürlich gehe ich davon aus, dass Michelle Obama ihre Biografie selbst geschrieben hat, dass sie auch einige Dinge weggelassen hat, aber ich denke trotzdem, dass Michelle Obama ein echtes Vorbild ist.
Alles was bleibt
Schon der Titel des Buchs hätte nicht passender gewählt werden können: „Alles was bleibt“. Aber was bleibt nach dem Tod? Häufig eine Leiche und die Erinnerungen an den Toten. Und beiden Themen widmet sich Sue Black. Das mochte ich besonders an diesem Buch. Es geht nicht nur um die knallharten Fakten, sondern auch um den Menschen, der einmal gelebt hat und jetzt tot ist. Die Autorin schreibt also auch über das Erleben des Todes ihrer Verwandten und wie sie damit umgegangen ist. Es geht auch um die Bedeutung von Sterbehilfe und die verschiedenen Meinungen und um den letzten Willen von Toten.
Ebenfalls sehr interessant waren für mich die Ausführungen von Sue Black über Körperspender, also Personen, die ihren Körper für wissenschaftliche Zwecke spenden. Noch immer werden Körperspenden für die Ausbildung von jungen Medizinern benötigt – es geht also nicht alles am Computer. In diesem Zusammenhang berichtet Sue Black von ihrem eigenen Sezierkurs im Studium. In diesen Monaten baute sie eine regelrechte Bindung zu ihrer Sezierleiche Henry auf. Henry war natürlich nicht sein richtiger Name, denn Körperspender bleiben anonym. Auch nach vielen Jahren im Beruf empfindet sie tiefe Dankbarkeit gegenüber Henry.
Die Arbeit einer forensischen Anthropologin
Aber natürlich ist nicht alles schön am Beruf der forensischen Anthropologin. Hauptsächlich sind forensische Anthropologen damit beschäftigt, die Identität von Menschen festzustellen. Sowohl von Opfern als auch von Tätern. Schließlich kann ein Verbrechen nur aufgeklärt werden, wenn es zur Leiche auch eine Geschichte, eine Person gibt. Manchmal werden Leichen dann auch noch zerstückelt, weil der Täter Panik bekommt und merkt, dass er die Leiche nicht im Ganzen vom Tatort wegtransportieren kann. Gerade Täter, die zum ersten Mal und im Affekt gemordet haben, neigen dann dazu, die Leiche in sechs Stücke zu zerteilen und das passiert oft nicht gerade elegant, weil dabei Knochen zersägt werden müssen. Profis gehen da ganz anders vor und zerteilen die Leiche an den Gelenken ohne allzu große Sauerei. Beim Lesen von „Alles was bleibt“ muss man solche Informationen erstmal setzen lassen. Alles, was Sue Black schreibt, ist furchtbar interessant und spannend, aber manchmal eben auch sehr krass.
Am schlimmsten zu verarbeiten war für mich das Kapitel über Sue Blacks Einsatz im Kosovo, bei dem sie Kriegsverbrechen aufklärte. Dabei ging es nicht um einzelne Tote, sondern um regelrechte Massengräber. Heftige Kost. Sue Black und ihr Team hatten dabei die Aufgabe, die Identität der Leichen festzustellen und die Überreste dann an die Familie zu übergeben – insofern es noch eine Familie gab. Ähnliches Leid erlebte Sue Black dann, als sie Menschen identifizierte, die beim Tsunami in Thailand umgekommen waren.
Eines wird durch „Alles was bleibt“ aber sehr deutlich: Sue Black ist eine bewundernswerte Frau mit enormem Wissen. So schrecklich ihre Erfahrungen manchmal sind, so herzlich und tröstend sind die Worte von Sue Black. Ich für meinen Teil konnte durch „Alles was bleibt“ dem Tod etwas mehr die Hand reichen.
Weitere Bücher über die Arbeit von Forensikern
- Anatomie des Verbrechens: Meilensteine der Forensik von Val McDermid
- Die Zeichen des Todes: Neue Fälle von Deutschlands bekanntestem Rechtsmediziner von Michael Tsokos
Also was habe ich gelernt? Bei meiner Masterarbeit habe ich beispielsweise gelernt, dass es im Prinzip nur an mir selbst liegt, eine gute Arbeit auf die Beine zu stellen und ich das Ergebnis der Arbeit auch nur mir allein zu schreiben kann. Zwar musste ich mich auf ein Thema bewerben, aber es war keinesfalls so, dass der Professor schon ein bestimmtes Ziel damit verfolgte. Also musste ich selbst ein Ziel, einen Sinn, finden. Und im weiteren Verlauf natürlich auch selbst herausfinden, wie ich dieses Ziel eigentlich erreiche. So viel Freiraum hatte ich an der Universität bisher nicht erlebt und das war manchmal sehr anstrengend, aber im Grunde auch sehr aufregend.
Aber ich habe in der vergangenen Zeit auch gelernt, dass es sich lohnt zu warten, ein schlechtes Bauchgefühl ernst zu nehmen und Unsicherheit auszuhalten. Gerade die letzten Wochen waren geprägt von einem Auf und Ab der Emotionen und Hoffnungen. Die Suche nach einem Einstiegsjob ist eben selten leicht. Ich habe viele Gespräche geführt und viel nachgedacht. Es gab Unternehmen, bei denen ich gern gearbeitet hätte, die mir allerdings absagten und es gab auch Unternehmen, bei denen ich kein gutes Gefühl hatte und ausgerechnet diese gaben mir einen Arbeitsvertrag. Die zweite Situation war übrigens am schwierigsten für mich. Aber nun habe ich genau die Stelle bekommen, die ich mir gewünscht habe und ich freue mich aufs Arbeiten. Schönes Gefühl.
Manchmal bin ich so stur wie Coco Chanel.
Vielleicht fragst du dich, was das jetzt alles mit Coco Chanel zu tun hat? Beim Lesen der Romanbiografie „Coco Chanel“ von Nadine Sieger habe ich festgestellt, dass nicht nur ich beharrlich, ehrgeizig und bisweilen stur sein kann. Coco Chanel hat diese Charaktereigenschaften sehr gepflegt und dafür bewundere ich sie aufrichtig. Diese Frau hat sich nicht beirren lassen, als sie in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts Männerkleidung trug, weil weite Rücke und Korsagen sie einschränkten.
Mit diesem Eigensinn hat sie dann die Welt der Mode revolutioniert: Das kleine Schwarze, Chanel No. 5 und das Chanel-Jäckchen aus Bouclé sind wohl die wichtigsten Meilensteine, aber das war bei weitem nicht alles. Coco Chanel war im wahrsten Sinn ein Workaholic. Und sie hat sich auch nicht unterkriegen lassen als es wieder einmal nicht mit der großen Liebe klappte. Denn trotz ihrer ganzen Errungenschaften und ihrer Bekanntheit, war sie eben keine Adlige und gehörte nie so richtig zur Haut-Voleé dazu. Beim Lesen der Romanbiografie nach Nadine Sieger tat es mir jedes Mal weh, wenn einer ihrer Liebhaber wieder lieber eine standesgemäße Frau heiratete. Natürlich war das Buch aber nicht nur wegen der Person Coco Chanel für mich interessant, auch für mein eigenes Nähen habe ich aus der Biografie Anregungen genommen. Leider sind meine Näh-Fähigkeiten noch nicht so gut, dass ich eine Bouclé-Jacke nach Chanel-Schnitt nähen könnte, aber es ist definitiv eines meiner Ziele, so etwas zu können und das werde ich aufgrund meiner Sturheit irgendwann auch schaffen.
Everything I learned in my life, I learned because I decided to try something new. – David Lynch
Wahrscheinlich liegt in diesem Zitat die Ursache dafür, dass ich „Traumwelten“ begonnen habe zu lesen. Irgendwo habe ich es einmal aufgeschnappt und seitdem spuckt mir dieses Zitat im Kopf herum. Es inspiriert und motiviert mich, neue Dinge auszuprobieren. Niemand wäre ein besserer Autor für dieses Zitat als David Lynch, bei so vielen Talenten wie er hat – neben Regisseur ist er noch Schauspieler, Maler, Fotograf, Drehbuchautor und Komponist.
„Traumwelten“
Das Besondere an dieser Biografie ist der Dialog zwischen Kristine McKenna und David Lynch. Jeder Abschnitt von „Traumwelten“ ist so aufgebaut, dass Kristine McKenna in einem Kapitel erstmal eine Zeit aus David Lynchs Leben beschreibt, wie es ein „normaler“ Biograf tut. Also Fakten darstellen, andere Leute befragen und aus den Interviews Zitate in den Text einfließen lassen sowie den Lebensabschnitt in das „große Ganze“ einzuordnen. Im Anschluss daran beschreibt aber David Lynch seine Sicht zum Kapitel McKennas und natürlich auch in Bezug auf die Ereignisse im Leben. Das ist spannend und diese Form ist mir bisher auch noch nicht untergekommen.
Inhalt des Buchs ist die gesamte bisherige Lebensspanne von David Lynch – begonnen bei der Kindheit in Boise, über sein Studium, seine unzähligen Ehen, alle Filme, die er gemacht hat bis hin zur Gegenwart. Spiritualität ist auch ein großes Thema in David Lynchs Leben, was ich bisher nicht gedacht hatte. Er meditiert täglich und das ist wohl auch ein Bestandteil seines Erfolgs. „Traumwelten“ zeigt sehr anschaulich die Hochs und Tiefs der Karriere von David Lynch, aber ganz besonders zeigt es, was David Lynch ausmacht und das ist keinesfalls das Streben nach Erfolg, wie man es bei einem Regisseur dieses Formats vielleicht vermuten könnte. David Lynch wollte in seinem Leben immer nur Kunst machen und seine Ideen verwirklichen. Aufmerksamkeit mag er nicht.
„Twin Peaks“ und andere Werke
Eines der Projekte, die sehr viel Aufmerksamkeit erregt haben, ist „Twin Peaks“. Zu Beginn der Neunzigerjahre arbeitete David Lynch gemeinsam mit Mark Frost an einem Pilotfilm und zwei Staffeln der Serie. Leider zerbrach das Projekt dann während der zweiten Staffel aufgrund mehrerer Ursachen. Weil David Lynch so fasziniert war von der Welt „Twin Peaks“ machte er noch ein Prequel zur Serie „Twin Peaks – Fire walk with me“, der damals ein Flop war. Erst mit der dritten Staffel 2017, sozusagen der Neuauflage von „Twin Peaks“, fand der Film die Anerkennung, die er verdiente. Diese Zusammenhänge werden sehr gut in der Biografie „Traumwelten“ dargestellt, aber „Traumwelten“ bietet keine Interpretationshilfe zur Serie. Jeder, der die über 700 Seiten des Buchs allein aus diesem Grund liest, wird enttäuscht sein.
Aber ein bisschen hilft die Biografie eben doch beim Verstehen von David Lynchs Werk. Zum Beispiel, weiß ich nun, dass David Lynch in Laura Palmer immer Marilyn Monroe gesehen hat. Auch sehr interessant war die Einschätzung von Isabella Rossellini, dass es in David Lynchs Filmen immer um eine Art Geheimnis geht. Und David Lynch hat selbst einmal zu ihr gesagt:
Im richtigen Leben wissen wir nicht, in welche Richtung sich eine Geschichte entwickelt. Wir wissen noch nicht einmal, welchen Verlauf ein Gespräch in der nächsten Minute nehmen wird.
Kurzgeschichten über die menschliche Natur und die Wissenschaft
Schon der Debütroman von Pippa Goldschmidt („Weiter als der Himmel“) handelte von der Wissenschaft und der Rolle der Frau in der Forschung. Das ist auch kein Wunder, denn Pippa Goldschmidt kennt dies als promovierte Astrophysikerin aus eigener Erfahrung. Auch in ihren Kurzgeschichten geht es um Hoffnung, Leid, Liebe und die Verbindung zur Wissenschaft. Pippa Goldschmidt verarbeitet unter anderem entscheidende Situationen im Leben berühmter Wissenschaftler zu Kurzgeschichten. Zum Beispiel, wenn Robert Oppenheimer („Der Vater der Atombombe“) versuchte seinen Tutor mit einem vergifteten Apfel umzubringen. Oder eine Kurzgeschichte handelt von Albert Einsteins Trauer als dieser sein erstes Kind verlor. Ebenfalls sehr fasziniert war ich von der Geschichte über Alan Turing und dessen Tod.
Aber es geht in „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ nicht nur um das Leben berühmter Wissenschaftler – es geht auch um das Leben in und mit der Wissenschaft. Gleich zu Beginn gibt es eine seltsam anziehende Geschichte über eine Studentin, die eine Affäre mit ihrem Dozenten hat. Eine meiner Lieblingsgeschichten handelt von einer jungen Wissenschaftlerin, die entdeckt, dass es einen Fast-Zusammenstoß zwischen der Erde und einem Asteroiden geben wird und dafür einen Großteil der Forschungsarbeiten erledigt. Allerdings wird sie im wissenschaftlichen Aufsatz dazu gar nicht als einer der ersten Autoren genannt. Diese Publikationen sind wichtig in der Forschung und besonders wichtig ist es, unter den ersten drei Autoren genannt zu werden und nicht im et al. zu verschwinden.
Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen
Den Kurzgeschichtenstil von Pippa Goldschmidt kann ich nicht oft genug loben. Immer haben ihre Geschichten am Ende eine kleine Wendung, die nochmal einen ganz anderen Eindruck der Geschichte vermittelt – ihr an Bedeutung hinzufügt. Das ist nicht mehr selbstverständlich, denn ich habe gerade in der jüngeren Vergangenheit häufiger Kurzgeschichten gelesen, die diese Wendung nicht mehr haben, aber für mich macht das einen Großteil des Reizes dieses Genres aus. „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ erweitert den eigenen Horizont, denn es verhandelt viele Erkenntnisse aus der Wissenschaft, um die ich mir vor dem Lesen noch nie Gedanken gemacht habe.
Die Geschichten lesen sich einfach gut: Die Charaktere sind trotz des geringen Platzes gut gezeichnet, die Handlung ist spannend und hat mit unter mehr Tiefgang als ein Roman. Noch dazu tragen die Kurzgeschichten so interessante Titel wie zum Beispiel „Wie korrekt muss man sein (um im Leben etwas zu erreichen)“, „Das Schneewittchen-Paradox“ oder „Die nächste Hilfe ist eine Million Lichtjahre entfernt“. Jeder der Kurzgeschichten mag, wird auch „Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen“ von Pippa Goldschmidt lieben und jeder der bisher mit dem Genre der Kurzgeschichten nichts anfangen konnte, ebenso.
Pippa Goldschmidt: Von der Notwendigkeit, den Weltraum zu ordnen. Culturbooks. ISBN: 9783959880985. 224 Seiten. 20,00 €.
Weitere Rezensionen auf anderen Blogs
Leseschatz
VWL in Chemnitz
In dieser Stadt wohne ich seit fast 5 Jahren. Damals bin ich wegen des Studiums hergezogen und so wie es aussieht werde ich wegen des Lebens, welches ich hier habe, auch bleiben. Zum ersten Mal so richtig in Berührung mit Karl Marx kam ich während meines Bachelorstudiums. Ich studierte im Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre (VWL), weil ich mich für die Gesellschaft interessierte und die Wirtschaft verstehen wollte, außerdem liebte ich Matheaufgaben. Chemnitz hieß früher einmal Karl-Marx-Stadt und unter anderem wegen diesem Erbe haben die Professoren auch gern Karl Marx in ihren Vorlesungen behandelt.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Zeit, in der ich stundenlang die Arbeitswerttheorie von Karl Marx lernte. Nach der Arbeitswerttheorie wird der Wert einer Ware durch die dafür notwendige Arbeitszeit bestimmt – eigentlich ganz logisch, nicht? Aber so einfach ist es dann leider doch nicht und besonders nicht bei der Arbeitswertlehre von Karl Marx. Leider mündet bei Marx die Arbeitswertlehre in das sogenannte Transformationsproblem, weshalb niemand von Marx Arbeitswerten auf plausible Marktpreise kommt. Bis heute versuchen sich Wissenschaftler an der Lösung dieses Problems. Noch dazu ist die Arbeitswertlehre grundlegend für die Ausbeutungstheorie von Karl Marx, wonach der Profit des Kapitalisten (Arbeitgeber) aus der unbezahlten Mehrarbeit des kleinen Mannes (z.B. unbezahlte Überstunden) entsteht (#thestruggleisreal).
Hochkonjunktur für Marx
Aber das war nicht der einzige beeindruckende Marx-Moment in Chemnitz für mich: 1,5 Jahre später begegnete mir Marx wieder. Diesmal hatte ich eine Vorlesung über Konjunkturtheorie, also darüber, warum es in der Wirtschaft zu Krisen und Boom-Zeiten kommt. Marx sieht die Ursache für Krisen im generellen technischen Fortschritt und den tendenziellen Fall der Profitrate, weil dadurch immer mehr Güter produziert werden und dadurch die Ausbeutung der Arbeiter immer mehr zunimmt. Zugleich können sich die Arbeiter immer weniger Güter leisten, weshalb die Nachfrage sinkt. Das Angebot ist durch die verstärkte Produktion aber schon zu hoch und es entsteht eine Krise. Ich habe die Konjunkturtheorie von Marx jetzt sehr vereinfacht erklärt, die nächstanspruchsvollere Erläuterung gibt es im Gabler Wirtschaftslexikon.
Der Professor war damals sehr angetan von der Konjunkturtheorie von Marx, weil sie so umfassend war und heute gäbe es diese Art der Theorie leider nicht mehr, weil immer nur einzelne Aspekte erklärt würden. Mich beeindruckten diese Worte damals, weil sie ehrlich waren. Der Professor behandelte Marx in seiner Vorlesung nicht, weil er eine linke Gesinnung hatte, sondern weil Marx Gedanken wirklich klug waren.
Bücher über Karl Marx und dessen Werk
Genau heute ist der 200. Geburtstag von Karl Marx. Nicht nur ich denke an ihn und sein Werk, sondern auch viele Verlage. Vor ein paar Tagen habe ich mir eines davon gekauft, weil ich neugierig war, was Nicht-Volkswirtschaftler über ihn schreiben. Aber das Buch „Karl Marx“ von Dietmar Dath aus der Reclam-100-Seiten-Reihe kann ich überhaupt nicht empfehlen. Für eine Einführung ist es viel zu kompliziert geschrieben. Langweilig! Zum Glück gibt es noch andere Bücher:
- „Karl Marx – Ein radikaler Denker“ von Wolfgang Korn aus dem Hanser Verlag (eine reichbebilderte Biografie, die auch für Jugendliche geeignet ist)
- „Marx. Der Unvollendete“ von Jürgen Neffe aus dem C. Bertelsmann Verlag (eine sehr umfassende Biografie)
- „Herr der Gespenster – Die Gedanken des Karl Marx“ von Thomas Steinfeld aus dem Hanser Verlag (ein tieferer Einblick in die Theorien und Texte von Marx)
- Karl Marx beim Barbier – Leben und letzte Reise eines deutschen Revolutionärs von Uwe Wittstock aus dem Blessing Verlag (Mischung aus Biografie und Erzählung)
Eine wahre Geschichte
„Ein deutsches Mädchen“ ist eine Autobiographie und dreht sich daher vor allem um Heidi Benneckensteins Kindheit und Jugend in der Neonazi-Szene. Die bereits erwähnten rechten Ferienlager waren allerdings nur ein Teil davon. Ihr Vater ist Helge Redeker, ein großer Name in der rechten Szene. Schon von Geburt an wird Heidi indoktriniert und hat keine gewöhnliche Kindheit. Beispielsweise wird sie sehr streng erzogen, muss immer gehorchen und Luxus gibt es kaum. Ihr Kinderzimmer besteht aus zusammengestückelten Möbeln in militär-grün. Heidi Benneckenstein lebt mit ständigem unterschwelligem Druck seitens ihres Vaters. Die Mutter erhebt keinen Widerspruch gegen die Erziehungsmethoden des Vaters. Vielleicht aus Angst vor ihrem eigenen Mann? Das Buch bleibt die Antwort schuldig.
Auch ihre Jugend verbringt Heidi Benneckenstein im völkischen Milieu. Sie sucht sich eine Neonazi-Gruppe, fährt auf Konzerte und Festivals, übernachtet im Braunen Haus in Jena. Frauen sind nicht viel wert in diesen Kreisen. Bestenfalls werden sie geduldet, aber wahrscheinlich eher Trophäen, die von einem Neonazi zum nächsten gereicht werden. Die Rolle der Frau ist die als Mutter. Es ist suspekt, wenn eine Frau mehr aus sich machen möchte beziehungsweise eine Karriere anstrebt. Die Stellen, an denen Heidi Benneckenstein in „Ein deutsches Mädchen“ auf die Rolle und Rechte von Frauen eingeht, sind die Stellen, die mich am meisten gruseln. Alles in mir sträubt sich gegen dieses Gedankengut.
„Ein deutsches Mädchen“
Ohne Frage ist „Ein deutsches Mädchen“ ein interessantes Buch mit wirklich erschütternden Erfahrungen. Allerdings hätte es dem Buch gutgetan, wenn Heidi Benneckenstein beim Schreiben strukturierter vorgegangen wäre. Manche Dinge wiederholt sie und an anderen Stellen habe ich nicht immer den roten Faden erkannt. Sie ist keine Schriftstellerin, aber jemand, der viel erlebt hat.
Besonders interessant war für mich zu lesen, wie so jemand, der seit frühster Kindheit in dieser Ideologie steckt, irgendwann einmal alles, was er gelernt hat, infrage stellt. Für mich ist Heidi Benneckenstein eine sehr mutige Frau. Es ist bewundernswert, wie sie trotz der Gefahr aus der rechten Szene ausstieg und jetzt gemeinsam mit ihrem Mann anderen Aussteigern helfen möchte. Aber die Geschichte über ihren Ausstieg kommt in „Ein deutsches Mädchen“ für meinen Geschmack zu kurz. Die Erlebnisse in Kindheit und Jugend werden sehr ausführlich geschildert, aber was Heidi Benneckenstein heute denkt, erfährt der Leser nicht. Der Leser erfährt ebenfalls nicht direkt, was Heidi Benneckenstein genau zum Ausstieg bewogen hat.
So ist „Ein deutsches Mädchen“ ein guter und interessanter Einblick in die rechte Szene, aber an manchen Stellen etwas oberflächlich und unstrukturiert. Nichtsdestotrotz ist es ein sehr lesenswertes Buch.
Weitere Bücher zum Thema
- Unter Staatsfeinden: Mein Leben im braunen Sumpf der Neonaziszene von Manuel Bauer
- Vom Saulus zum Paulus: Skinhead, Gewalttäter, Pastor – meine drei Leben von Johannes Kneifel
- Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene von Andreas Speit und Andrea Röpke
Heidi Benneckenstein: Ein deutsches Mädchen. Tropen Verlag. ISBN: 978-3608503753. 252 Seiten. 16,95 €.
Ein Leben zwischen Liebe, Inspiration und Natursehnsucht
„American Bloomsbury“ behandelt die Leben der fünf Hauptpersonen Henry David Thoreau, Louisa May Alcott, Ralph Waldo Emerson, Margaret Fuller und Nathaniel Hawthorne und deren Freunde in einem Zeitraum von etwa 40 Jahren, beginnend mit dem Jahr 1840. Dabei geht Susan Cheever chronologisch vor, lässt aber jeden ihrer fünf Protagonisten die wichtigsten Begebenheiten aus deren Leben durchmachen. Durch diese Struktur kommt es manchmal vor, dass verschiedene Ereignisse doppelt erzählt werden. Beim Lesen ist das aber keinesfalls nervig, sondern sorgt manchmal regelrecht für Aha-Erlebnisse.
Vielleicht klingt es für dich auch langweilig, wenn aus dem Leben von fünf amerikanischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus dem 19. Jahrhundert erzählt wird, aber das ist es nicht. Die Transzendentalisten waren so etwas wie die Vorreiter der Hippies. Sie lebten zwar in der idyllischen Kleinstadt Concord am Rande der Natur, aber sie lebten nicht ruhig. Vielmehr gab es unglückliche Liebe, verzwickte Dreiecksbeziehungen und viel Elend durch Tod oder Krankheit.
Es war die Zeit der rebellischen Ideen und das Ende des Puritanismus. Der Puritanismus war eine religiöse Bewegung, die hohen Wert auf ein strenges Leben legte. Henry David Thoreau, Louisa May Alcott, Ralph Waldo Emerson, Margaret Fuller und Nathaniel Hawthorne konnten damit nichts anfangen. Sie kämpfen mit ihren Gedanken gegen das Establishment und sie lebten auch so.
3 tolle Zitate aus „American Bloomsbury“
Emerson hat wunderbare Passagen und brilliante Porträts geschrieben, seinen Platz im Pantheon der Schriftsteller von Concord aber erwarb er sich als der Sugar Daddy der amerikanischen Literatur. (Aus: „American Bloomsbury“ von Susan Cheever, Seite 66)
Wir verehren Thoreau, weil er alles Materielle verachtete. Wir lieben ihn, weil er neue Kleidung verdammt und uns vor Besitz warnt. Uns gefällt sein Urteil, dass andere Männer und Frauen ein Leben in stiller Verzweiflung führen. (Aus: „American Bloomsbury“ von Susan Cheever, Seite 175)
Der Transzendentalismus vergöttlichte die Natur und kreiste um deren Rätsel und Wunder, die gelegentlich sogar wichtiger wurden als die Sorge darum, genug zu essen zu haben und seinen Lebensunterhalt zu verdienen. (Aus: „American Bloomsbury“ von Susan Cheever, Seite 28)
„American Bloomsbury“ – Das Werk der Transzendentalisten
Bisherige Lebensentwürfe wurden von den Transzendentalisten infrage gestellt. Es wurde die Forderung nach Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Selbstvervollkommnung des Menschen gestellt. Beispielsweise wurde Margaret Fuller mit ihrem Hauptwerk „Frauen im 19. Jahrhundert“ eine der frühen Feministinnen. Edgar Allan Poe sagte über sie: „Es gibt drei Arten von Menschen: Männer, Frauen und Margaret Fuller.“ Sie war die Erste, die die transzendentalistischen Prinzipien auch auf die Situation der Frau bezog. „Sie war eine Dorothy Parker in einer Jane-Austen-Welt.“ (Aus: „American Bloomsbury“ von Susan Cheever, Seite 85)
Aber nicht nur Margaret Fuller war geistreich, sondern auch Nathaniel Hawthorne. Nathaniel Hawthorne bescherte uns einen, auch im 21. Jahrhundert spannend zu lesenden, Roman und seiner Frau Sophia einen Migräneanfall, als er ihr eben diesen Roman zum ersten Mal vorlas. Im Zentrum des Romans steht die Ehebrecherin Hester Prynne, die ein uneheliches Kind geboren hat und sich weigert, den Namen des Vaters preiszugeben. Aus Hester Prynne ist eine der stärksten Frauen der Literaturgeschichte geworden.
Ralph Waldo Emerson kam die Rolle des Financiers zu. Mit seinem Erbe und seiner Geschäftigkeit hielt er die Transzendentalisten über Wasser und ermöglichte so einige der besten Romane der amerikanischen Literatur. Er war der führende Kopf der Bewegung und war häufig Mentor junger Talente.
Louisa May Alcott war eigentlich von ihrem bekanntesten Werk gelangweilt. „Betty und ihre Schwestern“ war eine Auftragsarbeit. Louisa May Alcott war nicht bewusst, wie einzigartig ihre Darstellung vom Alltagsleben der Frauen im 19. Jahrhundert ist.
Nicht minder bekannt ist das Werk von Henry David Thoreau. Zu Thoreaus Lebzeiten war „Walden oder Leben in den Wäldern“ kein großer Erfolg, dafür ist es heute eines der meistzitierten Bücher, die existieren. Wohl auch wenn das nicht heißt, dass alle, die „Walden“ zitieren, es auch gelesen haben. Henry David Thoreau beschrieb in diesem Buch, wie er ein Jahr in einer selbstgebauten Blockhütte im Wald lebte. Das macht das Buch zum „Klassiker aller Alternativen“.
Fazit
Susan Cheever ist mit „American Bloomsbury“ ein unterhaltsamer Roman gelungen, der mir viel Freude beim Lesen bereitet hat. Es wird darin so viel Wissen über die amerikanische Literatur vermittelt, dass es einen fast umhauen könnte, aber Susan Cheever ist eine talentierte Schriftstellerin, die ihren Leser nicht überfordert.
Susan Cheever: American Bloomsbury: Ein Leben zwischen Liebe, Inspiration und Natursehnsucht. Henry David Thoreau, Louisa May Alcott, Ralph Waldo Emerson, Margaret Fuller und Nathaniel Hawthorne. Insel Verlag. ISBN: 978-3458177074. 287 Seiten. 24,00 €
Kommentierfrage: Hast du eines der Werke der Transzendentalisten gelesen?
„Sie kam aus Mariupol“
Es geht um eine Frau aus Mariupol. Mariupol ist eine Hafenstadt und liegt am Asowschen Meer in der heutigen Ukraine. Diese junge Frau wurde von den Nazis als Zwangsarbeiterin aus ihrer Heimat nach Deutschland verschleppt. Die schwere Zeit der Zwangsarbeit hat sie überstanden, aber am Ende hat sie dann doch den Freitod gewählt – zu schrecklich war alles, was sie in ihrem Leben erlebt hat. Natascha Wodin ist die Tochter dieser Frau und beschreibt in ihrem Buch „Sie kam aus Mariupol“ die Spurensuche nach dem wirklichen Leben ihrer Mutter.
In „Sie kam aus Mariupol“ geht es also viel um Identitätssuche. Und es geht um eines der größten Tabuthemen der deutschen Geschichte: Die Zwangsarbeit. Nahezu jeder Bürger müsste im zweiten Weltkrieg in Deutschland davon etwas mitbekommen haben, aber dennoch wird darüber geschwiegen. Auch im heutigen Geschichtsunterricht geht es vor allem um den Holocaust, die Geschichte von Zwangsarbeitern kommt höchstens am Rande vor.
Ich selbst habe mehr über Zwangsarbeiter von meinem Großvater als in der Schule erfahren. Allerdings war mein Opa mit Ende des Krieges gerade einmal 13 Jahre alt, daher konnte er mir seine Eindrücke nur aus kindlicher Perspektive schildern. In seinem Ort gab es eine Gruppe französischer Zwangsarbeiter bei einem Bauern, denen ging es einigermaßen gut. Sie durften zum Beispiel nach der Arbeit Fußball spielen oder wenn es regnete haben sie Weinbergschnecken gesammelt. Hingegen gab es auch eine Gruppe russischer Zwangsarbeiter. Laut Opa waren das „richtig arme Schweine“, sie durften definitiv nicht Fußball spielen und sie mussten hungern. Aber auf diese Informationen beschränkte sich mein Wissen über die Zwangsarbeit in Deutschland im Nationalsozialismus. Natascha Wodin bin ich dankbar, dass sie mich auf diese Problematik aufmerksam gemacht hat.
Warum ich das Buch dennoch nicht beendet habe.
Die Themen, die Natascha Wodin in ihrem Buch „Sie kam aus Mariupol“ anspricht, sind zweifelsfrei wichtig und interessant. Allein die Identitätssuche ist sehr spannend für mich, aber dennoch habe ich das Buch nach 100 Seiten abgebrochen. Ich habe gemerkt, dass ich beim Lesen prokrastiniere: Das Lesen dieses Buchs habe ich vor mir hergeschoben, weil ich immer etwas Interessanteres zum Lesen fand. Ich denke, es lag vor allem am Stil von „Sie kam aus Mariupol“. Natascha Wodin schreibt nämlich einen einzigen riesen Monolog. Sie erzählt von der historischen Spurensuche und welche Stationen sie dabei gemacht hat, aber es gibt in dem Sinne keinen Spannungsbogen. Beim Lesen kam es mir vor wie eine nicht enden wollende gerade Straße.
Zwischendurch stellte Natascha Wodin immer wieder Fragen. Aber die waren nicht an mich als Leser gerichtet, sondern vielmehr an sie selbst. Generell hat Natascha Wodin „Sie kam aus Mariupol“ nicht für Leser geschrieben, sondern zuerst einmal für sich. Ich habe mich da nicht einbezogen gefühlt, dadurch löst diese tragische Geschichte auch kaum Gefühle in mir aus, obwohl sie es eigentlich müsste und das Buch begann mich zu langweilen. Da hilft auch der Preis der Leipziger Buchmesse nichts.
Natascha Wodin: Sie kam aus Mariupol. Rowohlt Verlag. ISBN: 978-3498073893. 368 Seiten. 19,95 €
Rezensionen von anderen Blogs:
literaturleuchtet
Tintenhain
Kommentierfrage: Hast du „Sie kam aus Mariupol“ gelesen?