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Rattatatam, mein Herz von Franziska Seyboldt oder mit der Angst leben

3. Februar 2018Janine4 comments417 views

Im August 2016 wurde auf taz.de ein Artikel von Franziska Seyboldt veröffentlicht: „Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle – Leben mit einer Angststörung“. Zunächst klingt das ganz gewöhnlich, ungewöhnlich war jedoch, dass Franziska Seyboldt tatsächlich eine Angststörung hat und mutig genug war, kein Pseudonym zu verwenden. Die Resonanz auf ihren Artikel war riesig, so sehr, dass Franziska Seyboldt es nicht dabei belassen wollte und zum Thema ein Buch schrieb. „Rattatatam, mein Herz“ ist ein sehr persönliches und wichtiges Buch.

Vom Leben mit der Angst

Franziska Seyboldt wurde zum ersten Mal mit zwölf Jahren bei einer Untersuchung ohnmächtig vor Angst. Danach sagt sie: „Alles war wieder wie vorher. Nichts war wieder wie vorher.“ (Seite 9, „Rattatatam, mein Herz“ von Franziska Seyboldt) In diesem Moment ist die Angst bei ihr eingezogen und zu einem ständigen Begleiter geworden. In „Rattatatam, mein Herz“ stellt Franziska Seyboldt die Angst als eine Art imaginäre Freundin dar – sie reden und streiten miteinander. Aber eigentlich ist Franziska Seyboldt ganz froh, wenn sie gerade nicht von den sarkastischen Witzen der Angst belästigt wird.

An guten Tagen wache ich auf und bin eine Schildkröte. Dann spaziere ich bepanzert bis an die Zähne durch die Straßen und verrichte gemächlich mein Tagewerk, Tunnelblick an und los […]. An schlechten Tagen wache ich auf und bin ein Sieb. Geräusche, Gerüche, Farben, Stimmungen und Menschen plätschern durch mich hindurch wie Nudelwasser, ihre Stärke bleibt an mir kleben und hinterlässt einen Film, der auch unter der Dusche nicht abgeht. (Seite 15 f., „Rattatatam, mein Herz“ von Franziska Seyboldt)

Im weiteren Verlauf von „Rattatatam, mein Herz“ beschreibt Franziska Seyboldt, wie sich die Angst in ihrem Leben bemerkbar macht. Sie schreibt darüber, was sie bisher alles getan hat, um nicht mehr ganz so viel Angst zu haben. Sie schreibt über Therapiesitzungen und kluge Gedanken. Kurzum: Sie schreibt über ihr Leben mit und nicht gegen die Angst.

Ein wichtiges Buch: „Rattatatam, mein Herz“

Es ist sehr mutig von Franziska Seyboldt ohne den Schutz der Anonymität über ihre Angststörung zu schreiben. Ich bewundere das sehr und ich bin dafür dankbar. Selbst habe ich keine Angststörung, jedoch bin auch ich oft genug die Gefangene meines eigenen Gedankenkarussells. „Rattatatam, mein Herz“ hilft Angststörungen besser zu verstehen und ihnen ohne Vorurteile zu begegnen. Etwa jeder sechste Deutsche leidet darunter. Angststörungen sind also weiterverbreitet als man annehmen könnte, aber schließlich spricht bisher auch niemand darüber.

Ich hoffe sehr, dass sich das Thema Angststörung nun enttabuisiert. Franziska Seyboldt hat bereits den Grundstein gelegt und dafür bewundere ich sie sehr. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass würden viele Menschen gefragt werden, ob sie bereits an Angststörungen oder Panikattacken litten, dann wäre die Resonanz ähnlich groß wie bei #MeToo.

Eine Frage der Einstellung

Ich habe „Rattatatam, mein Herz“ innerhalb eines Abends durchgelesen. Das Thema war interessant, Franziska Seyboldt schreibt sehr gut und ihre Ratschläge helfen auch „Nicht-Angst-Patienten“. Für mich persönlich am bedeutendsten war eine Aussage über die Einstellung zum Leben:

Es ging um meine Einstellung zum Leben und darum, wie ich mit Belastungen umgehe, ganz egal, ob sie objektiv nachweisbar sind oder nicht.  […] Stress ist keine Währung, die für jeden den gleichen Wert hat. (Seite 65 f., „Rattatatam, mein Herz“ von Franziska Seyboldt)

Diese Aussage impliziert gleich mehrere Aspekte, die Stress verursachen können. Zum einen kann ich sehr wohl beeinflussen, wie sich eine Situation für mich anfühlt und auf mich auswirkt und zum anderen ist es sinnlos, sich mit dem Arbeitspensum anderer Menschen zu vergleichen. Stress entsteht häufig durch den eigenen Anspruch: Also, wenn ich denke, ich muss etwas tun und dies dann versuche zu erfüllen. Die Kunst besteht folglich darin, sich von diesen Ansprüchen zu befreien und dies dann auch gegenüber anderen Menschen zu vertreten. Ohne es zu wissen, hat Franziska Seyboldt mir sehr geholfen und ich bin sicher, es ergeht auch anderen Lesern von „Rattatatam, mein Herz“ so.

Franziska Seyboldt: Rattatatam, mein Herz. Kiepenheuer & Witsch Verlag. ISBN: 978-3462050479. 256 Seiten. 18,00 €.

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Janine Rumrich ist Frau Hemingway. Sie ist 27 Jahre alt und studiert nicht mehr lang an der Uni in Chemnitz irgendwas mit Marketing und Wirtschaftsinformatik.

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7. Februar 2018 8:38
jacquysthoughts
Gast
jacquysthoughts

Ich habe das Buch bisher noch nicht gelesen, habe es aber noch fest vor. Ich finde es auch super, dass die Autorin das offen anspricht und auch von ihren Erfahrungen mit der Angst berichtet, statt darüber, wie man sie loswerden kann. Es ist wirklich wichtig, dass über solche Themen offener gesprochen wird und das ist ein guter Schritt dahin.

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16. Februar 2018 16:29
lillysymphonie
Gast
lillysymphonie

Hallo,
das Buch ist mir jetzt schon öfter über den Weg gelaufen. Und mit jedem Mal klingt es für mich interessanter. Ich werde es also im nächsten Buchhandel mal zur Hand nehmen und die ersten Seiten lesen.

Liebe Grüße
Lily

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16. Februar 2018 22:02
Janine
Autor
Janine

Hallo Lilly,
mach das bitte unbedingt! Es steckt so viel Inhalt darin. 🙂
Janine

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17. Februar 2018 10:03

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