Mein Leben mit und ohne Karl Ove Knausgard

Ich habe gerade wieder festgestellt: Ich werde wahrscheinlich kein begeisterter Leser von Karl Ove Knausgard mehr werden. Und das obwohl so viele Menschen wahre Fans von Knausgards Prosa geworden sind. Da wäre beispielsweise Linus, der alle 6 Bände von Karl Ove Knausgards Zyklus „Mein Kampf“ gelesen und auf seinem Blog besprochen hat. Oder Stefan, der die gleiche Romanreihe mit dem letzten der 6 Bände beginnt und davon jedes Mal schwärmt, wenn wir uns begegnen. Beide Menschen schätze ich sehr und das nicht nur wegen ihres Literaturgeschmacks.
Die erste Begegnung mit Karl Ove Knausgard
Vor etwa 4 Jahren habe ich zum ersten Mal Knausgard gelesen. Damals wurde er von einer Zeitung gerade als „Rockstar der Literatur“ bezeichnet und ich wollte wissen, wie so ein richtiger literarischer Rockstar schreibt. Also habe ich den ersten Band seines Zyklus „Mein Kampf“ gekauft. Ich habe „Sterben“ von Anfang bis Ende sehr bedächtig gelesen. Immer mit dem Versuch zu verstehen, warum Karl Ove Knausgard so gehypt wird. Natürlich habe ich es nicht verstanden.
Knausgard legt minutiös seine Lebensgeschichte dar. Er schämt sich dabei auch nicht, peinliche Teenager-Begebenheiten zur Schau zu stellen. Das ist wohl das vermeintlich Besondere. Nichtsdestotrotz wies das Buch auch etliche Längen auf. Aber das liegt wohl auch daran, dass sich so ziemlich jeder Mensch mehr für das eigene Leben als für das anderer Menschen interessiert. Ab und zu ließ Karl Ove Knausgard dann wirklich denkwürdige Sätze fallen, zum Beispiel dieses von der ersten Seite des Buchs:
Für das Herz ist das Leben einfach: Es schlägt, solange es kann. Dann stoppt es. Früher oder später, an dem einen oder anderen Tag, hört seine stampfende Bewegung ganz von alleine auf, und das Blut fließt zum niedrigsten Punkt des Körpers, wo es sich in einer kleinen Lache sammelt, von außen sichtbar als dunkle und feuchte Fläche unter der beständig weißer werdenden Haut, während die Temperatur sinkt, die Glieder erstarren und die Gedärme sich entleeren.
Um es kurz zu machen, ich konnte den Hype um Karl Ove Knausgard damals nicht verstehen. So spannend und skandalös ist sein Leben nun auch nicht, dass ich darüber alle 6 Bücher lesen möchte. Und dann habe ich mit Karl Ove Knausgard aufgehört.
Wie ich meine Neugier mal wieder nicht zügeln konnte
Für mich war Karl Ove Knausgard also abgeschrieben. Aber dann kam im Herbst der erste Teil seiner „Jahreszeiten-Bände“ heraus und er hatte mich mit der ersten Seite:
Jetzt, da ich dies schreibe, weißt du nichts von dem, was dich erwartet, in welcher Welt du entstehst. Und ich weiß nichts von dir.
Das schreibt er in einem Brief an seine ungeborene Tochter. In vier Büchern, jeweils für eine Jahreszeit eins, möchte er ihr die Welt erklären und dadurch selbst die Welt besser verstehen. Das ist ein wunderschöner Gedanke. So schön, dass ich meinen Vorsatz, Karl Ove Knausgard nicht zu lesen, vergessen habe und begann, „Im Herbst“ zu lesen. Leider hielt meine Euphorie nicht lang an und ich war nach den ersten Texten über Dinge wie Äpfel, Wespen und Plastiktüten gelangweilt. Ein Mikroskop beschreibt schon längst nicht mehr, was Karl Ove Knausgard mit den Dingen und seiner Schriftstellerei tut.
Für mich ist das anstrengend und langweilig zu gleich, aber vor allem langweilig. Und jetzt habe ich wieder keine Lust, Karl Ove Knausgard zu lesen, aber leider liegt hier noch „Das Amerika der Seele“, welches im Oktober 2016 erschien. Es ist ein Buch mit gesellschaftskritischen Essays von ihm und damit keine reine Nabelschau seiner Biografie. Was mache ich damit? Lesen oder nicht?
Bücher in diesem Artikel:
- Sterben von Karl Ove Knausgard. ISBN: 978-3442745197
- Im Herbst: Mit Bildern von Vanessa Baird (Die Jahreszeiten-Bände, Band 1) von Karl Ove Knausgard. ISBN: 978-3630875149
- Das Amerika der Seele: Essays 1996-2013 von Karl Ove Knausgard. ISBN: 978-3630874555
Zur Zeit lese ich gerade „Leben“, also den vierten Band von Knausgards autobiografischer Romanreihe, Janine. Sicher werde ich die letzten beiden Bände noch lesen, aber ein euphorischer Knausgard Fan werde ich ebenso wie Du, nicht mehr werden. Natürlich besticht er durch schonungslose Offenheit, dies kann sein stinknormales Leben, welches oft sehr trist rüberkommt aber nicht kompensieren, da gebe ich Dir völlig recht. Liebe Grüsse nach Chemnitz, Olaf. 🙂
Lieber Olaf,
das beruhigt mich aber! Und ich bewundere dich wirklich, wie du schon 4 Teile seines Romanzyklus gelesen hast und dann auch noch die letzten beiden Bände lesen willst! Ich könnte das echt nicht.
Viele Grüße,
Janine
Mir geht es genauso wie dir. Wird nix mit mir und Herrn Knausgard, aber muss ja auch nicht 🙂
Hej dj709,
nein – das muss wirklich nicht sein. Es gibt doch genügend andere Menschen, die ihn lesen! 🙂
Janine
Oh, oh, oh, natürlich weiß ich, dass du, liebe Janine so deine Probleme mit dem ollen Karl Ove hast; dies sei dir unbenommen gestattet. Und ich gebe zu, dass ich im vergangenen Jahr Knausgard-Fan ersten Grades geworden bin. Für mich liegt der Reiz darin, dass gerade das teilweise absolut Unspektakuläre so minutiös geschildert wird und dass ich mich beim Lesen so oft ertappe, in ähnlichen Situationen gewesen zu sein oder Ähnliches erlebt zu haben. Aber ist das nicht gut, dass wir nicht alle die gleiche Sicht auf Literatur haben… Ich weiß jetzt, dass ich Knausgard irgendwann bei WEINlesen vorstellen werde…… Weiterlesen »
Lieber Stefan,
natürlich komme ich zum Weinlesen. Auch wenn du Karl Ove vorstellst. Ich habe immer noch Hoffnung, die anderen 3 bis 4 Bücher könnten ja toll sein. 😉 Beispielsweise habe ich letztens „Unterleuten“ gelesen und es war wirklich ein richtig gutes Buch.
Viele Grüße,
Janine
Ich werde wohl einen großen Bogen um den Autor machen.
Nicht dass ich nicht auf Autobiographien, Confessional Poetry und all diese Sachen stehen würde- ganz im Gegenteil. Die besten Geschichten schreibt das Leben- davon bin ich überzeugt. Aber ich glaube dass der gute Knausgard ein bisschen in der Ausführlichkeit und Quantität übertreibt. Da stehen teilweise schon in der Leseprobe Sachen drinnen…bitte, die möchte ich einfach nicht wissen. 🙂
Aber natürlich ist das in seiner Art bahnbrechend, aus Massen von Nichts, Inhalte zu erschaffen und es hinzubekommen alles, aber auch wirklich alles darin unterzubringen.
Was Knausgard da mit seinem alltäglich Zipperchen macht, ist wirklich Kunst. Ich könnte das nicht und ich hätte gar keine Lust mein Privatleben so sehr mit der Öffentlichkeit zu teilen!
Ich denke, das mit Knausgard ist eine Frage der Perspektive und der Resonanz. Sie schreiben, dass Sie 27 Jahre alt und eine Frau sind. Ich bin 49 Jahre alt und männlich – wie Knausgard. Sein Schreiben erzeugt eine starke Resonanz in mir, bezogen auf mein eigenes biografisches Erleben und Erinnern. Wenn man sich mit dem Phänomen der Erinnerung auseinandersetzt, weiß man aber, dass das Schreiben von Knausgard, abgesehen von ein paar biografischen Ankerpunkten, reine subjektive Fiktion ist. Längst ist das Trügerische am Gedächtnis erkannt und belegt. Persönlich erstaunt war ich, wie dicht ein Norweger mir als Ostdeutschem sein konnte. Das… Weiterlesen »
Hallo Herr Bartz,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Wahrscheinlich haben Sie recht, dass Knausgard zu weit von meiner Lebensrealität entfernt ist. Wobei ich auch Menschen kenne, die ich näher an mir als an Knausgard verortet hätte und denen Knausgard gefällt. Aber es ist immer wieder schön zu lesen, was Literatur bedeuteten bzw. bewirken kann. 🙂
Viele Grüße,
Janine
Leider hast du in deinem Blog über Knausgard gar nicht über Literatur gesprochen – das wäre der Fall gewesen, wenn:
Du über seinenStil, deine Vorlieben, einzelne Sätze, den Rhythmus, die Sprache oder den Inhalt gesprochen hättest – und seine Relevanz oder dein Nichtverstehen – all dies kommt leider nicht vor. So ist es nur eine persönliche Meinung einer IT-Frau, die, wie viele, lieber unterhalten wird – vermute ich!
Leider hast du in deinem Kommentar gezeigt, dass du den Unterschied zwischen einem privaten Buchblog und dem Feuilleton in großen Tageszeitungen überhaupt nicht verstanden hast. Aber wahrscheinlich hattest du einfach nur einen schlechten Tag und wolltest mal jemand in die Pfanne hauen, der gerade greifbar war – vermute ich!