Extrem krasse und gute Kurzgeschichten: Cat Person von Kristen Roupenian

Eigentlich lese ich lieber Romane: In der Regel reißen sie mich mehr mit als Kurzgeschichten und es gibt nur sehr wenige Autoren/innen, die auf wenigen Seiten eine Figur so gut zeichnen können, dass sie tiefgründig und realistisch wirkt. Soweit meine Leseerfahrung in den letzten Jahren. Kristen Roupenian hingegen gehört zu den Autorinnen, die das Schreiben von Kurzgeschichten regelrecht perfektioniert hat. Gegen „Cat Person“ können viele Romane einpacken.
Cat Person Storys
Okay, wenn ich ehrlich bin, brauchte ich 2 bis 3 der Kurzgeschichten im Buch bis ich begreifen konnte, was Kristen Roupenian da macht. Zu skurril, zu krass, zu extrem sind die Geschichten und Handlungen darin: Wenn zum Beispiel ein gelangweiltes Paar einen ihrer Freunde, der gerade an Liebeskummer leidet, zum Sexsklaven macht und sogar soweit geht, ihn zu zwingen, seiner Exfreundin etwas anzutun.
Noch etwas gruseliger ist die nächste Kurzgeschichte im Buch: Die zwölfjährige Jessica hat Langeweile und treibt sich tagsüber im Park herum, bis ein Mann sich zu ihr auf die Parkbank setzt. Er gibt ihr eine Kassette mit Liedern von Charles Manson (dem amerikanischen Mörder) und möchte, dass sie sich nachts 24 Uhr wieder im Park treffen. Jessica lehnt das natürlich ab und sagt, dass sie keine Zeit habe und auf eine Pyjama-Party mit ihren Freundinnen eingeladen ist. Am Ende geht Jessica weder in den Park noch zur Party, sondern bleibt daheim. Als Jessica am nächsten Abend gemeinsam mit ihrer Familie Nachrichten schaut, ist der Schock natürlich groß, als gemeldet wird, dass ein Mann mit einem Messer ein kleines Mädchen von einer Übernachtungsparty entführt hat. Zufällig sah das Mädchen Jessica recht ähnlich und das Fahndungsfoto des Mannes kam ihr auch allzu bekannt vor. Harter Stoff!
Also brauchte ich etwas Zeit, um mich an die Intensivität der Kurzgeschichten in „Cat Person“ zu gewöhnen, aber dann war ich süchtig danach und ich glaube, die nächste Kurzgeschichtensammlung, die ich lesen werde, wird es ziemlich schwer haben, da mitzuhalten.
Cat Person
Die Kurzgeschichte mit dem Namen „Cat Person“ hatte Kristen Roupenian 2017 über Nacht berühmt gemacht. Kristen Roupenians Kurzgeschichte wurde in der renommierten Zeitschrift „New Yorker“ im Zuge der #MeToo-Debatte veröffentlicht. Alle sprachen darüber und sogar in Deutschland wurde berichtet. Für eine Kurzgeschichte ist das wirklich ungewöhnlich.
In „Cat Person“ geht es um Margot, die im Kino an der Snackbar jobbt und dabei Robert kennenlernt. Robert ist ein paar Jahre älter, nicht mehr ganz so schlank und witzig. Nach Monaten mit unzähligen SMS und ein paar Dates landen sie dann in Roberts Wohnung im Bett. Nur, dass Margot eigentlich gar keine Lust mehr hat, mit Robert zu schlafen. Sie tut es dennoch. Warum das? Margot hatte zum einen nicht die Kraft, den Aufwand aufzubringen, das Ganze zu stoppen und zum anderen wollte Margot nicht als launenhaft gelten. „So als hätte sie in einem Restaurant eine Bestellung aufgegeben, nur um das Essen dann, als es kam, zurückgehen zu lassen (Seite 113).“ Kristen Roupenian stellt in ihrer Kurzgeschichte also die Gründe dar, warum eine Frau schlechten Sex nicht einfach abbricht. Damit stellt die Autorin aber auch gesellschaftlich-kritische Fragen: Ist das schon patriarchalische Unterdrückung der Frau? Ist ein Mann, der zwar spürt, dass die Frau eigentlich keine Lust mehr hat, aber dies ignoriert, schon ein Vergewaltiger?
Überhaupt sind es immer die netten Kerle, die Kristen Roupenian interessieren. Es gibt nicht nur Robert, der Margot eigentlich gar nichts Böses möchte. Da wäre auch Ted, der nur noch eine Erektion bekommt, wenn er sich vorstellt, dass sein Schwanz ein Messer ist und die Frau sich beim Sex damit selbst aufschlitzt. Ted hat nämlich über die Jahre festgestellt, dass Frauen schlecht behandelt werden wollen. Den Kurzgeschichten mit diesen netten Typen stellt Kristen Roupenian Kurzgeschichten gegenüber, in denen die Frauen die Macht ergreifen oder im Fall von „Beißerin“ gesellschaftliche Strukturen ausnutzen und sich hinter ihnen verstecken. Die Beißerin Ellie kann an nichts anderes mehr denken, als dass sie ihre Arbeitskollegen beißen möchte. So richtig mit Blut und Fleisch. Am Ende stellt Ellie ihre Bissattacke auf Carrie, einem gutaussehenden Kollegen, so hin, dass er sie angegriffen habe und Ellie sich nur verteidigt hat. Ich hoffe, dass ich von Kristen Roupenian und ihren Kurzgeschichten noch viel hören werde.
Ich hatte dieses Buch auch erst im Auge. Aber ich glaube, dass ich nicht bereit bin solche Geschichten zu lesen. Ich mag schwarzen Humor, aber das stößt an Grenzen, die ich nicht erforschen will. Deine Rezension gefällt mir aber trotzdem.
Lieben Gruß
Andrea
Danke Andrea! Bei Cat Person würde ich nicht einmal von schwarzen Humor sprechen, denn sie sind in keinster Weise lustig oder bringen zum Schmunzeln. Sie überraschen und schockieren. Und ja, ich bin mir sehr sicher, dass auch nicht jedem diese Art von Geschichten gefällt.
Hallo Frau Hemingway, ich danke Dir für diese super Besprechung und habe jetzt endlich meine Antwort auf die Frage: Soll ich das lesen? Cat Person wurde gerade beim Lieblingsbuchhändler bestellt und ich freu‘ mich drauf. Und es geht mir ähnlich: Eigentlich sind Romane ‚meine‘ Buchform, aber kürzlich habe ich ausgerechnet durch die Kurzgeschichte wieder richtig Freude am Lesen gefunden. Aber es war eben die großartige Alice Munro… Viele Grüße, Simone
Vielen Dank Simone! 🙂 Schreib mir doch, wie du Cat Person fandest, wenn du es gelesen hast. Würde mich freuen!
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Wegen der herausragenden Kritik in den Feuilletons habe ich das Buch gekauft und drei Geschichten gelesen: Anschliessend habe ich das Buch entsorgt.
Die Geschichten sind krank, um nicht zu sagen pervers, weshalb ich mein Gehirn vor weiterer Verschmutzung bewahren wollte.
Bedenklich erscheint mir, dass die ganze Literaturkritik über solche Inhalte in helle Verzückung gerät.
Markus
Immerhin war es kein langweiliges Buch. 🙂