Eine Frau, die Unheil anzieht: Marléne von Philippe Djian

Es scheint das Jahr des Bobs zu sein – zumindest auf Buchcovern sind mir in letzter Zeit häufiger Frauen mit Bob aufgefallen. Eines dieser Bücher mit einer Frau, die einen Bob trägt, ist „Marléne“ von Philippe Djian und genau dieses habe ich gerade gelesen.
Eine Frau, die Unheil anzieht
Es gibt Menschen, die verbreiten Unruhe da, wo sie auftauchen. So eine Person ist die Schwester von Nath, Marléne. Nath ist verheiratet mit Richard, der gerade im Gefängnis einsitzt und demnächst entlassen wird. Aus welchem Grund Richard genau zu Gefängnis verurteilt wurde, verrät Philippe Djian nicht. Aber das ist auch überhaupt nicht notwendig, denn Richard ist nicht mehr der selbe Mann, seit er aus dem Armeedienst entlassen wurde. Er ist aufbrausend, kann keiner Schlägerei aus dem Weg gehen und dreht auch sonst gern krumme Dinger. In dieser Situation kündigt sich Besuch von Marléne an. Nath versteht sich nicht sonderlich gut mit ihrer Schwester, zumindest war das so die letzten Jahre. Sie ist genervt von Marlénes Verträumtheit und Tollpatschigkeit, noch dazu gibt es immer Streit und böse Dinge passieren, wenn Marléne auftaucht. Man könnte von einer Aura des Bösen sprechen, die Marléne umgibt. Nath kann das gerade überhaupt nicht gebrauchen, aber die eigene Schwester kann man kaum vor die Tür setzen.
Als Marléne dann endlich da ist, gibt sie ziemlich schnell zu, dass sie schwanger ist und vom Vater ihres Kindes kurzerhand vor die Tür gesetzt wurde. Was die genauen Hintergründe sind, bleibt offen. Generell bleibt Vieles, was Marlénes Leben betrifft ein Geheimnis. Warum sie so ist, wie sie ist und ob sie wirklich so unbeholfen oder doch ziemlich durchtrieben ist. All das verrät Philippe Djian nicht. Wenig später beginnt Marléne auch noch eine Affäre mit Dan, den besten Freund von Richard. Gemeinsam haben sie in der Armee gedient und sind mit einem Knacks nach Hause zurückgekehrt. Und nun versucht jeder auf seine eigene Weise, wieder zurück zum normalen Leben zu finden. Dan scheint eine gute Partie zu sein, denn er versucht sich möglichst normal zu verhalten: Er hat einen Job im Bowling-Center, hilft seinen Nachbarn und führt seinen Haushalt sehr akribisch. Wenn da leider nicht Marléne wäre, die alles durcheinanderbringt.
„Marléne“ von Philippe Djian
Beim Lesen erstaunte mich, dass Marléne weite Teile des Buchs überhaupt nicht selbst handelt. Sie bleibt im Hintergrund, über sie wird viel geredet. Aber als Leserin wusste ich nie, ob Marléne nun wirklich so ist, wie sie von anderen Figuren beschrieben wird oder ob diese aus irgendwelchen Gründen auch immer das Bild von Marléne verzerren. Philippe Djian macht dies sehr geschickt, denn so wird die Faszination für Marléne nur noch größer. Ebenso geschickt erzeugt Philippe Djian Spannung. Nur ganz beiläufig erwähnt Philippe Djian tragische Ereignisse, welche der Geschichte eine ganz neue Wendung geben und als Leserin fragte ich mich oft, ist das jetzt wirklich passiert? Hat er das wirklich gemacht? Beim Lesen von „Marléne“ habe ich mich oft erschrocken, aber genau das und die Figur der Marléne machen den Reiz an diesem Buch aus.