Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl oder mein bester Freund

Beim Lesen von Mareike Fallwickls Roman „Dunkelgrün fast schwarz“ musste ich unweigerlich an die Freundschaften in meinem Leben denken. Meinen besten Freund kenne ich seit dem Kindergarten. Robert* war der stille Junge mit der Brille und ich war das stille Mädchen mit der Brille – auf Anhieb verstanden wir uns. Wir konnten so sein, wie wir waren. Deshalb spielten wir gern zusammen und manchmal erzählte er mir von Ägypten, dass ihn damals so faszinierte. Womöglich waren wir im Kindergarten verheiratet, aber das kann ich mir auch nur ausgedacht haben. Mit 6 Jahren wurden wir eingeschult, aber jeder kam auf eine andere Schule und unsere Wege trennten sich. Damit verlor sich die Freundschaft zwischen Robert und mir.
Dunkelgrün fast schwarz
Ebenfalls trennten sich die Wege von Moritz und Raffael nach der Schule. Erst 16 Jahre später klingelte Raffael an der Tür von Moritz, der sich gerade auf die baldige Geburt seiner Tochter freute. Plötzlich stand die Vergangenheit vor der Tür und mit ihr die Wucht der Erlebnisse aus Moritz Kindheit und Jugend. Ähnlich Robert und mir lernten Moritz und Raffael sich im Kindergartenalter kennen. Aber ihre Beziehung war nicht gleichranging: Raffael führt und Moritz folgt. Überall hin, wenn es sein musste.
Moritz war fasziniert von der grünen Farbe, die Raffael umgab. Schließlich ist Moritz Synästhet und nimmt zu jeder Person auch eine Farbe wahr, die sie umgibt wie eine Aura. Da wäre beispielsweise das Lila seiner Mutter Marie oder das Pink seiner schwangeren Frau Kristin, aber manchmal sieht Moritz auch Menschen mit Löchern in ihren Farben. Schwarze Löcher, die das Gute aufsaugen wie bei Sabrina, der Mutter von Raffael.
Als der erwachsene Raffael völlig unerwartet vor Moritz stand, hatte sich seine Aura vom strahlenden Grün der Kindheit in ein Dunkelgrün verändert, dass fast schwarz war. Der erste Hinweis darauf, was aus Raffael geworden war. Marie, die Mutter von Moritz, hatte schon immer etwas gegen Raffael: Als sie merkte, dass Raffael mutwillig andere Kinder verletzt und die Erwachsenen mit seinem Charme manipuliert, versuchte sie sogar, die Freundschaft von Moritz und Raffael zu beenden, indem sie in getrennte Klassen eingeschult wurden. Aber das half nichts. Moritz war abhängig von Raffael, schließlich war er sein einziger Freund und was sollte aus ihm werden, wenn er überhaupt keine Freunde mehr hätte? Moritz nahm sogar den Ärger für die Streiche Raffaels an anderen Kindern auf sich.
Tolle Sätze von Mareike Fallwickl in „Dunkelgrün fast schwarz“
Jeder Jeton, den die Leser in die Online-Jukebox werfen, ist virtuelle Schaumschlägerei. (Seite 54)
Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkel schubsen. (Seite 302)
Und dann ein Leben haben, das nur ihr gehört. (Seite 265)
Aus einer toxischen Freundschaft wird eine noch toxischere Dreiecksbeziehung
Als wäre diese verfluchte Freundschaft nicht genug, fügt Mareike Fallwickl ihrem Buch „Dunkelgrün fast schwarz“ noch die traurige Johanna hinzu. Im letzten Schuljahr kommt Johanna in die Klasse. Ihre Eltern sind gerade gestorben und sie wohnt nun bei ihrer Tante. Schnell wird aus der engen Freundschaft von Moritz und Raffael das Dreieck Moritz-Johanna-Raffael. Und die Kanten dieses Dreiecks sind scharf wie japanische Messer aus mehrfach gefaltetem Stahl. Johanna hat schließlich ihre eigenen Pläne mit Moritz und Raffael.
Manchmal ist es kaum auszuhalten, was Mareike Fallwickl mit mir als Leser macht. „Dunkelgrün fast schwarz“ ist spannend, weil es so intensiv geschrieben ist und die Figuren real erscheinen. Als Leserin hatte ich eine ungefähre Ahnung, dass die Abgründe zwischen Moritz, Raffael und Johanna sehr tief sind. Daraus hat Mareike Fallwickl kein Geheimnis gemacht! Aber wie tief, das verrät Mareike Fallwickl erst ganz am Schluss des Buchs.
„Dunkelgrün fast schwarz“ ist geschickt konstruiert mit den Perspektivwechseln zwischen Marie, Johanna und Moritz. Noch dazu wechseln auch die Zeitebenen: Manchmal schreibt Mareike Fallwickl, was in der Gegenwart passiert, aber dann reist sie im nächsten Kapitel in die Kindheit oder Jugendzeit der Protagonisten. Das Buch ist also sehr abwechslungsreich geschrieben. „Dunkelgrün fast schwarz“ ließ mich mit Moritz hoffen und mit Marie Raffael fürchten. Es ließ mich Momente des Lichts und Momente der Dunkelheit sehen. Das Buch enthält alles, aber nicht zu viel. Besonders dankbar bin ich „Dunkelgrün fast schwarz“ aber, weil es mich merken ließ, was für ein Glück ich mit meiner Freundschaft zu Robert habe.
Meine Freundschaft zu Robert
10 Jahre nach unserer Trennung trafen Robert und ich uns wieder. In der Zwischenzeit gingen wir auf getrennte Grundschulen und auch auf verschiedene Realschulen, aber als es dann an das Abitur ging, sahen wir uns wieder. Es war Tag der offenen Tür und meine Eltern und ich wollten einmal sehen, wie die Schule so ist, auf der ich sehr wahrscheinlich mein Abitur machen würde. Auf dem Schulgang trafen wir dann Robert und es war seltsam. Verhalten eben, denn eigentlich kannten wir uns überhaupt nicht mehr. So wussten wir auch nicht wirklich, was wir einander sagen konnten. Aber ich war dennoch froh, dass wir gemeinsam das Abitur machen würden. Mittlerweile ist auch diese Szene 10 Jahre vergangen, unsere Freundschaft ist geblieben und sie tut uns sehr gut.
Mareike Fallwickl: Dunkelgrün fast schwarz. Frankfurter Verlagsanstalt. ISBN: 978-3627002480. 480 Seiten. 24,00 €.
*Robert ist nicht der richtige Name meines besten Freundes. Ich habe ihn auf seinen Wunsch hin geändert.
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