Die Herzen der Männer von Nickolas Butler oder was bedeutet Stärke?

Der Debütroman von Nickolas Butler „Shotgun Lovesongs“ wurde vor 5 Jahren bereits ein Erfolg in Deutschland. Es wurde viel rezensiert und das fast ausschließlich positiv. In einem Interview mit Nickolas Butler habe ich gelesen, dass Ernest Hemingway einer seiner literarischen Vorbilder ist. „Die Novelle Der alte Mann und das Meer von Ernest Hemingway ist für mich persönlich die bedeutendste literarische Leistung. Sie ist allgemeingültig, sparsam, mitfühlend und wunderschön geschrieben. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich dieses Buch gelesen habe.“ Gerade erscheint Nickolas Butlers zweiter Roman in Deutschland „Die Herzen der Männer“ und ich wollte wissen, wie so jemand schreibt, der „Der alte Mann und das Meer“ genauso gern hat wie ich.
Damals im Sommer 1962
Nelson ist Pfadfinder. Nur noch 5 Abzeichen und er ist sogar Adler-Pfadfinder. Diese Abzeichen möchte er unbedingt noch in dieser Woche erhalten – das ist sein Ziel. Nelson ist ein kluger und ehrlicher Junge, aber er hat nicht viele Freunde. Schon gar nicht im Pfadfinder-Camp, dort wird er vielmehr schikaniert. Seine Trompete, mit der er jeden Morgen zum Appell trompetet, wird verbogen und angepisst. Sein Zelt wird in der Nacht umgeworfen. Und Nelson selbst wurde auch schon gezwungen, in die Latrine zu steigen und einen Nickel darin zu suchen.
Aber auch außerhalb des Camps kennt Nelson Entbehrungen: Zu seinem Geburtstag kam keiner der eingeladenen Jungen bis auf Jonathan und das obwohl er die Einladungen schon einen Monat im Voraus verschickt hatte. Selbst Jonathan stattete Nelson nur einen 25-minütigen Pflichtbesuch ab bevor er dann eilig wieder ging. Beim Lesen bricht es mir das Herz, denn Nelson hat das nicht verdient. Er ist nicht grausam oder hat irgendwelche seltsamen Eigenschaften, er hat lediglich einen eigenen Moral-Kodex, an den er sich hält. Nelson ist strebsam und neugierig und liebt das Pfadfinder-Sein sehr. Pfadfinder-Führer Wilbur begründet die Abneigung der anderen Jungen so: „Das liegt daran, dass sie dich als Herausforderung empfinden. Du gehörst nicht zu diesem Haufen, diesem Pöbel.“
Nelsons einziger Freund, wenn man es so bezeichnen will, ist Nelsons Mutter. Sie liebt ihn bedingungslos und ist immer gütig zu ihm, obwohl auch sie es nicht leicht hat. Die Ehe von Nelsons Eltern ist kaputt. Sein Vater ist grausam. Er ist ein richtiger Tyrann, der seinen Sohn mit dem Gürtel verprügelt, wenn dieser weint. Nelsons Mutter hat nicht nur einmal über eine Trennung nachgedacht, aber was soll sie dann machen? Sie hat keinen Beruf gelernt und ist von ihrem Mann abhängig, wie das damals so üblich war.
Die Herzen der Männer
Aber selbst die Boshaftigkeit von Nelsons Vater relativiert sich im Verlauf von „Die Herzen der Männer“ noch. Auch hatte seine Gründe und auch er liebt seinen Sohn. Der Titel des Buchs ist sehr treffend gewählt, denn es geht tatsächlich viel um Männer und wie sie sind. Da gibt es den aufrichtigen Nelson, der zwar auch nicht unfehlbar ist, aber sehr gütig. Oder Nelsons Freund Jonathan, von dem ich mir beim Lesen erst am Ende sicher war, ob er wirklich Nelsons Freund ist oder nicht. Jonathan hat einige charakterliche Schwächen und ist nicht ganz zuverlässig. Seine Ansicht vom Leben ist, dass man schummeln muss, wenn man kein Idiot sein möchte. Darüber hinaus gibt es in „Die Herzen der Männer“ auch skrupellose und bösartige Männer, die mich beim Lesen sehr wütend machten.
Das Buch ist in 4 Teile gegliedert und ist aus der Sicht unterschiedlicher Personen verfasst. „Die Herzen der Männer“ erstreckt sich über die ganze Dauer von Nelsons Leben und zeigt, wie sich manche Personen auch über die Jahre verändern können. Es geht darum, was es bedeutet ein Mensch zu sein und was Stärke wirklich heißt. Jeder entscheidet selbst, was für ein Mensch er ist und das bemisst sich an seinen Handlungen. Aus dieser Sicht ist das Buch auch ein wenig philosophisch. „Die Herzen der Männer“ ist ein Roman, der mich hat nachdenken lassen, aber ebenso gut hat er mich unterhalten. Das ist eine seltene Mischung und macht für mich ein wirklich gutes Buch aus.
Nickolas Butler: Die Herzen der Männer. Klett-Cotta-Verlag. ISBN: 978-3608983135. 477 Seiten. 22,00 €.
Salut! Schöne Besprechung eines Buches, das ich auch ganz wunderbar fand.
Für mich ist es immer spannend zu sehen, was für andere der Kern eines Buches, die Hauptaussage ist. Diesen Satz von dir fand ich sehr aussagekräftig und schön zusammengefasst: „Es geht darum, was es bedeutet ein Mensch zu sein und was Stärke wirklich heißt.“. Liebe Grüße!
Hallo infraredhead,
hast du zufällig schon Butlers erstes Buch gelesen? 🙂
Viele Grüße,
Janine
Ja, vor ein paar Jahren. Hat mir sehr gut gefallen, aber Die Herzen der Männer fand ich noch besser.
[…] Besprechungen des Buchs findet ihr bei Haukes Leseschatz und Janines Frau Hemingway und Marius […]
[…] des Buchs findet ihr bei Constanze Zeichen&Zeiten, Haukes Leseschatz und Janines Frau Hemingway und Marius […]